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Vibrato: Formantenproblem /Geigercharakteristikum ?

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Bea Profilseite von Bea, 12.06.2011, 20:08:51
Vibrato: Formantenproblem /Geigercharakteristikum ?

 Eigentlich ist die Besprechung des Dauerbrenners Vibrato müßig - dachte ich. Allerortens wird immer von historisch informiert, romantisierendem Dauervibrato, klarem vibratofreien Ton u.s.w. gesprochen. Jeder hat seine Meinung dazu.

Aber irgendwie scheint man nicht unbedingt immer von dem Selben zu sprechen, wenn man Vibrato meint. Jeder Anfänger lernt erstmal in großen Rollbewegungen seines Fingers bis zu einem Halbton tiefere gezogene "Leiertöne" zu produzieren und denkt, Vibrato sei also  eine Schwingung zwischen benachbarten Tönen.  Aber es finden gleichzeitig noch andere Modulationen statt, Klangfarbe, Lautstärke, leider bin ich keine Physikerin, aber sicher gibt es noch Resonzerscheinungen, Interferenzen, Frequenz- und Phasenverschiebungen und entsprechende Überlagerungen, ganz abgesehen von Obertönen und und und....Formantenproblem - http://de.wikipedia.org/wiki/Formant

Vibrato erreicht man , wenn jede kleinste Bewegungen der Fingerkuppe nicht nur in Saitenrichtung sondern auch im Winkel dazu die Saite in ihrer Schwingung beeinflusst.(bzw. jede im Winkel aufgebrachte Schwingung verursacht nicht nur Änderungen  in der Länge der schwingenden Saite, sondern hat noch einen Anteil, der die Saite in ihrer Schwingung selbst beeinflusst.)

Dass heißt, die Kunst des Vibratos ist eben nicht nur die als emotions(über)geladene Schwingung zwischen Tonhöhen, sondern die Ausfüllung des Tons an sich. (Und wie das Instrument mitspielt). Deswegen wird jeder Geiger zu Erzielung seines Tons - vielleicht auch nicht willentlich - eine Art Vibrato zur Tongestaltung einsetzen (es könnte ja auch ein leichtes Hoch- und runterdrücken des spielenden Fingers sein).

Für Technikfreaks ist vielleicht auch im folgenden link eine Aufschlüsselung der Frage, was ist Vibrato zu finden: dort wird diskutiert, wie man Vibrato der Geige möglichst naturgetreu mit technischen Hilfsmitteln bei entsprechendem Konzert verstärken kann. Eine Diskussion von Tonmeistern, die erst mal verstehen wollen, was ist Vibrato, wie holt man alle Anteile des Vibratos mit welcher Technik heraus:

http://www.tonthemen.de/viewtopic.php?t=1612&postdays=0&postorder=asc&start=0

Geige Profilseite von Geige, 12.06.2011, 21:07:05

 Es hat mich schon mehrfach gestört, wenn bei Muggen eine extreme barocke Spielart  auch dann von den Musikern verlangt wurde, wenn alle  Stahl und Kunststoffsaiten auf ihren Instrumenten hatten. 

Das Klangcharakteristikum einer Darmsaite ist ein anderes als das einer Stahlsaite. Ein und dieselbe Spielweise passt deshalb nicht zu jedem Instrument. Eine blanke E-Darmsaite klingt viel runder und ist von der Klangcharakteristik "ummantelt" und verträgt ein vibratofreien Ton. Eine Stahlseite erhält diese Klangwärme durch ein leichtes Vibrato....

Um einem Anfänger das Vibrato zu vermitteln, muss alles erst einmal im Zeitlupentempo aufgebaut werden. Klar, dass es da erst einmal schrecklich leiert

Das bei Aufnahmetechniken Töne ganz anders - physikalisch - auseinandergenommen werden ist nötig, oder wenn sie von einem Computer nachgebildet werden - hier gibt es Spezialisten, die die Klänge dafür genau analysieren. Mein Schwager beschäftigt sich beruflich mit diesen Dingen und das ist hochkompliziert. Für mich ein Buch mit vielen Siegeln.......Für einen Musiker ist eine solche analytische Auseinandersetzung jedoch nicht notwendig. (Nur wenn mann PC Programme entwickelt, die einen Geigenklang imitieren). Ein guter Langstreckenläufer muss auch nicht wissen, welche Neuronenverbindungen im Gehirn ablaufen, damit er seinen Weg in Bestzeit läuft.

 

 

Bea Profilseite von Bea, 13.06.2011, 10:54:00

Mit  Kyung Wha Chung plays Brahms's Scherzo möchte ich auf eine außerordentliche Violinistin mit dem ihr eigenen sehr variationsreichen Vibrato aufmerksam machen:

Geige Profilseite von Geige, 13.06.2011, 11:14:51

 Sehr furios interpretiert - da kommt keine Langeweile auf - man möchte fast sagen: Ein Raubtier an der Geige ....

Bea Profilseite von Bea, 13.06.2011, 16:29:36

EUGENE UGORSKI  attackiert in Ravel Tzigane die Geige noch stärker, unvorstellbar ohne Vibrato - und dass obwohl in dieser Musik nun rein gar nichts romantisch ist! Und wenn der 21 jährige nicht "cool" ist, was denn dann, er bräuchte nur nicht unbedingt in einen Konfirmationsanzug gesteckt werden - wann melden denn die Männer mal ihr Recht auf Freiheit der Garderobe an?

http://www.youtube.com/watch?v=-FzYge-uUCk&feature=relmfu 

Geige Profilseite von Geige, 13.06.2011, 21:59:49

 Da wird ja enorm mit Kraft gespielt   , dass einem fast Bange wird, dass 'ne Saite reisst. 

Leutarius Profilseite von , 13.06.2011, 20:22:57

 "attackiert" ist wohl der richtige Ausdruck, man fragt sich nur: Wo ist denn die Musik geblieben? 
 

Oder bin ich einfach nur zur Darmsaiten-Mimose geworden...?


 

Leutarius Profilseite von , 13.06.2011, 20:49:14

Geigen als Sport finde ich aber uncool..!   

Geige Profilseite von Geige, 14.06.2011, 10:47:51

 Vibratofrei traktiert Ugorski seine Geige aber keineswegs. Selbst Flageoletttöne werden bei der Aufnahme anvibriert.... in dem Alter spielt er ja schon technisch sehr versiert. Das was mit russischer Schule - mit sehr viel Druck spielen - allgemein gemeint ist, prägt sein Spiel sehr. Mir ist diese Kraftarbeit zu viel.

Bea Profilseite von Bea, 14.06.2011, 11:39:08

Ich mag emotionsausbrüche, aber auch verhaltenere Schönheit des Tones kann sehr berührend sein; hier extra für Leutarius Baiba Strike mit op 61 Beethoven auf arte live (leider nur noch 18 Tage frei geschaltet):

 http://liveweb.arte.tv/de/video/Baiba_Skride_spielt_Beethoven/

Kaum Vibrato, und wenn ganz zart -- pure Hörfreude!

Bei der gleichen Veranstaltung aber auch dieses Werk: Nicolas Bacri: Quasi una fantasia, Op. 118 (World Premiere - Skride/Pogostkina/Batiashvili, MCO

Alle drei Sologeigerinnen setzen starkes Vibrato fast permanent ein. Ein zeitgenössischer Komponist, junge Interpretinnen, junger Dirigent - Vibrato aus der Mode?

Geige Profilseite von Geige, 14.06.2011, 13:14:14

 Vibrato muss halt immer passend zum Stück eingesetzt werden 

Bei den 3 Sologeigerinnen "sägt" jedoch keine mit zu starkem Druck (wie Ugorski). Die Saite kann dann auch im Forte immer noch Schwingen. Zu viel Bogendruck lässt den Klang mitunter platter werden....

Superschön ist die "Ex Baron von Feilitzsch" Stradivari 1735 von Baiba Skride

Ungewöhnlich ihre Saitenzusammenstellung: G-Evah, D- & A- Larsen, E- evt. Jargar . Eine Kombi, die ich so noch nicht gesehen habe.

Neuester Beitrag Leutarius Profilseite von , 14.06.2011, 13:28:10

Sehr schöner Beethoven, danke Bea.

Bei dem Bacri hatte ich das Gefühl, dass man sich ohne Vibrato vielleicht noch schneller langweilen würde....?

Oft wird übermässiges Vibrato dort eingesetzt, wo entweder die Komposition Mängel hat, oder wo der Interpret die Komposition nicht ganz versteht....  Hier ist es wohl eher ersteres.

Ich habe kein Problem mit gezielt eingesetztem Vibrato.  Ein bisschen Salz in der Suppe war noch immer zuträglich. Aber ich esse trotzdem lieber ungesalzene Suppe als total versalzene. Am liebsten aber perfekt gesalzen und fein gewürzt! 

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