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Liebe Forianer;
gestern hat mich eine gute Geigenfreundin kontaktiert und mir von ihrer 'neuen' sehr guten alten Geige erzählt: Sie spielt sie schon seit Jahrzehnten. Und jetzt stellt sich raus, dass das alte Gutachten tatsächlich akurat ist und die Geige einen Wert von 80.000 hat. Irre.
Natürlich hat sie die Geige in diesem Zusammenhang gründlich überholen lassen, um ihr alles Gute anzutun. Dabei sagt nun der Geigenbauer, dass er - außer dem, was er schon getan hat - gerne auch noch den Bassbalken erneuern würde:
Angeblich klinge die Geige noch nicht so, wie es bei dem Wert sein müsse. Und das liege daran, dass die Geige wahrscheinlich lange - wie bis vor Jahren üblich - mit Stahlsaiten gespielt worden sei, aber die für den Klangerhalt erforderliche regelmäßige Erneuerung des Bassbalkens nicht/ oder nie gemacht worden sei.
Das verwirrt uns jetzt ein wenig: ich habe noch nie davon gehört, dass man (mal) regelmäßig die Bassbalken ausgetauscht hat. Weiß jemand dazu näheres? Ist so etwas eine sinnvolle 'OP'?
Habt schon mal vorab Dank für Eure Erfahrungsberichte
P.
Es gibt Geigenbauer, die versuchen z.B. Bassbalken mit etwas erhöhter Spannung einzubringen um mehr Brillianz in den Klang zu bekommen. Ich persönlich führe solche gravierenden Eingriffe zur Klangverbesserung nicht durch, da sich das Ergebnis nie 100% voraussagen lässt. Es lässt sich auch nicht rückgängig machen. Mir sind zudem Musiker bekannt, bei denen eine solche OP nicht zu dem gewünschten Ziel führten....Erst sollte alles "revidierbare" bei einer Klangverbesserung ausgelotet werden.
Gute Erfahrungen habe ich z.B. mit den Carbonstimmstöcken von Pal Molnar gemacht www.anima-nova.de . Hierbei lässt sich aufgrund eines Gewindes die Spannung an einer Position ändern. Diese Möglichkeit gibt es bei einem herkömmlichen Stimmstock überhaupt nicht. Außerdem eignet sich das Carbonmaterial sehr gut aus klanglicher sicht. Ein solcher Versuch lässt sich zurücksetzen, falls das Ergebnis doch nicht zum Instrument passen sollte.
Hallo,
zufällig habe ich bei meiner Geige im Sommer den Bassbalken erneuern lassen! Meine Geige ist erst 13 Jahre alt; sie hatte das für ihr Alter sehr ungewöhnliche Problem, dass die Decke abgesackt war. Die Decke ist bei ihr aus einem außergewöhnlich harten, aber sehr dünnen Holz. Das Absenken ist leider doch ein Schwächezeichen gewesen. Da der Bassbalken sich rel. weit innen (d.H. mittig) in der Geige befand, konnte er dem Druck von oben nicht genug Gegendruck bieten.
Da der Klang sich zuletzt verschlechtert hatte, habe ich der großen OP mit weichen Knien zugestimmt. Mir wurde alles Mögliche erzählt, die Geige sei nachher eine ganz andere etc.. Glücklicherweise hat sich diese Befürchtung nicht bestätigt, die Geige hat trotz neuem und auch neu platziertem Bassbalken im Grunde ihren Charakter bewahrt und klingt wieder frei. Die Wölbung der Decke ist wieder hergestellt. Ich war ganz begeistert von dem Ergebnis. Nach knapp 2 Monaten habe ich sie dann noch einmal einrichten lassen, und sie ist jetzt tadellos.
Eine erfreuliche Nebenwirkung der Maßnahme war, dass sich der eine Wolf, den sie hatte, so gut wie verabschiedet hat. Das war nicht beabsichtigt gewesen, freut mich aber natürlich.
Vielleicht kann der Geigenbauer ja etwas konkreter begründen, warum er meint, dass ein neuer Bassbalken klanglich hilft. Wenn er aber schon von Saiten und deren Einfluss spricht, kommt es mir plausibel vor, dass vielleicht auch zuviel Druck von oben auf die Geige gewirkt hat und man von unten wieder besser gegenhalten könnte mit einem neuen Bassbalken. Wenn man es gut begründet bekommt, ist das alles keine Hexerei.
Ich bin dem grundsätzlich von der Einstellung her aufgeschlossen gegenüber.
LG,
Flitzebogen
Bei einem 13 Jahre alten Instrument ist es ungewöhnlich, dass die Decke einsinkt. Ein Balken mit Spannung kann da schon etwas "Stütze" einbringen.
Ich kenne die Stradivari "Cathedral", die Nigel Kennedy spielte. Sie hat ebenfalls eine sehr dünne Decke (in der Mitte teils unter 2mm!). Schräg gegen das Licht betrachtet zeichnet sich bei dieser Geige von außen sichtbar der Bassbalken leicht ab.... Das hat mich schon ziemlich verwundert. Trotz der extremen Dünne dieses Deckenholzes macht sie ansonsten einen sehr stabilen Eindruck.
Möglicherweise wurde ja vor 13 Jahren für die o.g. Geige ein solches Instrument als Kopiervorlage genommen und das verwendete Holz hatte doch nicht die Steifigkeit des Originals und dann passiert so etwas.
Schön zu hören, dass es klanglich zu einem positiven Ergebnis führte.
Diese Geige ist überhaupt keine Kopie. Der Erbauer ist gewissemaßen ein etwas verschrobener Typ, der immer sein eigenes Ding macht, mal besser, mal schlechter. Klanglich ist meine Geige von ihm ein besonders gutes Exemplar. Er lebt in London, ist da aber auch schwer zu finden, und ich habe glücklicherweise bei mir nicht weit entfernt einen hervorragenden Geigenbauer kenngelernt, dem ich die Geige mit geringerem Fahrtaufwand anvertraue, seit sie einmal einen Riss hatte. Er sagte, dass die Geige von außen eher mittelmäßig wirkt, aber er, nachdem er sie offen hatte, aus dem Staunen nicht herauskam. Da und dort ist die Dicke der Decke verschieden, das nackte Holz hat eine eigentümliche Färbung, was er auf irgendeine rätselhafte Härtungsmaßnahme schiebt usw. Der Erbauer experimentiert ständig herum, mal gelingt auch ein tolles Ergebnis dabei. Nur das Absacken der Decke war natürlich weniger toll gewesen...
Was mir übrigens der hiesige Geigenbauer erklärte, war, dass eine dünne Decke bei alten Instrumenten per se steifer ist, weil das Holz noch dichter geworden ist. Soweit ich verstanden hatte, waren die dünnen Decken der alten Geigen früher mal dicker gewesen. Baue man heute so dünn, so er, nehme man eine geringere Stabilität in Kauf, es sei denn, man sorge irgendwie künstlich für eine Härtung. Bin keine Geigenbauerin, kann das also nur so wiedergeben.
Ich würde auf jeden Fall vor solch einem "großen Eingriff" mehrer Geigenbauer unabhängig und naiv um ihre Meinung fragen.
Bei meiner Geige wurde mir auch von einem GB gesagt der Bassbalken müsse erneuert werden, es sich vermutlich noch um das Original handelt und wohl mit der Zeit die Spannung nachlässt. Das war mir "zu heiß" weil ich Sorge hatte, dass das Ergebnis eventuel nicht ganz so zufriedenstellend sein könnte und es dann ja kein zurück mehr gibt. Ich habe dann mehrer GB ganz naiv um Rat gefragt was man bei meiner Geige machen sollte/ könnte, da der Klang nachgelassen hat. Von vier GB hat nur der Erste den Bassbalken erneuern wollen. Alle anderen waren regelrecht entsetzt als ich nachgefragt habe ob ein neuer Bassbalken vielleicht helfen könnte. Am Ende hat ein neuer Stimmstock und Steg und eine superleichte Henkelsaite alle Probleme gelöst. Mag sein, dass die Geige mit neuem Bassbalken NOCH besser klingt, aber ich bin auch so zufrieden.
Vielen Dank, lieber Peerceval, dass Du dich meiner Sache so angenommen hast. Jetzt kann ich auch selbst übernehmen.
Ich habe gestern nämlich die Geige vom GB abgeholt - überarbeitet mit den abgesprochenen Lackarbeiten, neuen Saiten und entsprechenden kleineren Arbeiten. Bin schon jetzt sehr zufrieden.
Zu der Idee der Bassbalkenerneuerung habe ich auch noch ein paar weitere Erklärungen bekommen: das Instrument ist von 1866 und der Bassbalken, der sich jetzt in der Geige befindet, ist nicht der Originale. Außerdem kann man selbst mit Laienblick erkennen, dass sich die Decke etwas abgesenkt hat, aber noch nicht gerissen ist. So ist der Vorschlag dieser großen Maßnahme für mich schon leichter nachzuvollziehen. Aber mindestens eine Zweitmeinung will ich schon noch einholen.
Und mir scheint auch, dass diese OP nicht gleich morgen anstehen MUSS - aber auch nicht zu lange aufgeschoben werden sollte (?).
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