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Zugeordnete Kategorien: Spieltechnik
Hallöchen,
werde auch mal `nen Thread beginnen (den Ersten hier von mir).
Was mir schon langre auffiel, ist, dass viele, auch renomiete, bekannte Geiger, die Lagenwechsel recht unsauber ausführen. Das klingt oft mehr nach Glissando, als nach Lagenwechsel. Z.B.: Brahms Violinkonzert. Die Version mit Sayaka Shoji (Sayaka Shoji is the first Japanese and youngest winner at the Paganini Competition in Genoa in 1999), ist, gelinde gesagt, manchmal mehr ein "Gerutsche zwischen den Lagen" als saubere LW. Im Vergleich zu Julia Fischer, die das selbe Stück spielt, liegen Welten dazwischen. Oder: Bruch, Schottische Fanthasie. Oistrach spielt das super, Menhuin, na ja...!? Das sind nur zwei, stellvertretent für viele Andere. Das ein LW harmonisch, weich und fließend, auch mit leisem Zwischenton gespielt werden muss, ist mir klar. Aber es wird oft zu wenig drauf geachtet. Das finde ich schade und schmälert die sonst so brilliante Spieltechnik einiger Protagonisten (wie z.B die oben genannte Sayaka Shoji).
Mein alter Geigenlehrer hat immer gesagt, ein Lagenwechsel sollte möglichst unhörbar sein. Ein leiser !!! Zwischenton kann sein, muss aber nicht zwingend! Davon kann aber oft keine Rede sein und künstleriche Interpretation des Stückes kann ich als Ausrede auch nicht gelten lassen. Also, was ist der Grund? An der mangelnden Technik kanns doch nicht liegen, oder?
Wie ist eure Meinung? Wie hat euer Geigenlehrer euch das gelehrt?
Ich bin gespannt auf eure Meinungen.
Seit gegrüßt und gute Nacht.
Ich habs genau andersrum gelernt: am Anfang genau hören, wo der Zielton ist, auch wenn man alles dazwischen dann auch hört. Ich hab den Finger auch dauernd auf der Saite und lasse nur wenig los, so dass ich gerade gut rutschen kann. Dass man den LW dann am Ende doch nicht mehr hört, liegt vor allem am Bogendruck. Ich kanns schwer beschreiben, es ist halt mit der Zeit so entstanden (wahrscheinlich lasse ich auch links in Wahrheit locker, aber mein Augenmerk liegt immer auf dem Bogen).
Aber auch heute noch übe ich schwierige LW, bei denen mir die Zieltonvorstellung fehlt so, dass ich ihn komplett höre. Und erst, wenn mein linker Arm die Bewegung genau kennt, versuche ich ihn unhörbar zu machen---oder auch nicht, wenn das Stück nun sehr romantisch ist :-D. Im Barock will ich kein Glissando haben, aber das ist eben Geschmacks- und Stilfrage.
Also ich glaube nicht dass die besagte Shoj schlechtere Lagenwechsel als Julia Fischer macht, in dieser Liga können alle technisch perfekt geigen! Aber es heißt, Shoj war eine der jüngsten Gewinner, d.h. sie ist jung und will nicht brave einwandfreie saubere Lagenwechsel u. klare Töne, sondern sie will Spaß, Leidenschaft, Ausdruck - in den Tönen u. den Wechseln schwelgen! Ich glaube jeder, der einmal den Dreh der Lagenwechsel raushat und frei diese gestalten kann, hat erlebt, welche Spannung, welche Steigerung, welche dunkle Farben man herausarbeiten kann, und wieviel Emotionalität man in die Ausführung legen kann, andere nennen es schmalzig, romantisch, kitschig - alles eine Frage des Geschmacks.
Aber grundsätzlich zum Lagenwechsel, der hier gemeinte gleitende wird unhörbar durch perfektes Zusammenspiel von sowohl Rücknahme des Bogendrucks u. Geschwindigkeit, alsauch Anheben des gleitenden Fingers, auf der E-Saiten darf man eh nur mit großem Druck oder nahezu gewichtslos rutschen, sonst schneidet man sich! Beim Gleiten sollte man vielleicht die Vorstellung haben, dass während des unhörbaren Gleitens der Finger lastfrei die Saite nur als Führungsschiene entlangläuft, aber diese überhaupt nicht belastet, also die Saite in keinster Weise aus ihrem ungegriffenen NOrmalzustand auslenkt.
Andere Lagenwechsel sind "gesprungene", also von Null in Lage 7 und höher sollte man nicht rutschen, es sei denn es ist explizit ein Glissando verlangt. Lagen so zu treffen ist Trainingssache und zwar Tonvorstellung u. Haptik, wobei m. E. nach die Haptik sich an der Tonvorstellung orientiert, man kann nämlich tatsächlich an verschieden großen Geigen den gleichen Tonsprung vollführen, wenn man kurz sich auf die neue Größe eingespielt hat. Bei Erfahrung leitet also die Tonvorstellung die körperliche Aktion - ähnlich dem Singen.
Ich mag romantische "Seufzer"-Lagenwechsel, kann aber auch klar und voneinander abgesetzte Töne spielen, je nachdem wie es passt. (Also Vitali chaconna ist ein Seufzer-Feld z.B. ...)
Gleiches gilt auch für Vibrato, man kann es leicht schwingend rein produzieren, oder schwer schwülstig gesteigert mit großer /variable Tonhöhenunterschied schluchzen. Übergang Lagenwechsel zu Vibrato ist dann auch Kriterium ....hörbares Reinrutschen plus leidenschaftlichem in die Tiefe gehendes Vibrato oder unhörbar, prägnanter Wechsel , Vibrato nur leichtes Verstärken des schwingenden Tones...
Ich denke, wenn Geigenleher unhörbare Lagenwechsel fordern, hat das mit konsequentem Üben zu tun. Solange man stumme Lagenwechsel nicht hinkriegt, sind Zwischentöne und Glissandi Krücken, um diese technische Schwäche zu kaschieren. Das verführt ein wenig dazu, die technische Unzulänglichkeit zum "Stilmittel" zu verklären und sich richtige Technik gar nicht anzueignen. Da ein Lehrer vom Hören nicht wirklich unterscheiden kann, ob er es mit einem bewusst gesetzten Stilmittel oder einer technischen Schwäche zu tun hat, kann er sich das Leben durch die Zielvorgabe alle Lagenwechsel stumm zu spielen erleichtern. Denn das funktioniert oder es funktioniert nicht.
Also, hier wurde viel Wahrheit geschrieben. Jeder hat ein wenig Recht. Am meisten bin ich jedoch bei Aranton. Er spricht mir aus der Seele. Ich habe das Gefühl, es ist "salonfähig" geworden, besagte "Glissando - Lagenwechsel" zu spielen (um evtl. technische Unsicherheit zu kaschieren?) Keiner stört sich mehr daran. Es wird tolleriert und, mehr noch, zur Normalität erklärt. Ich finde das nicht korrekt. Meinen Ohren tut "das " weh. Ich habe ein anderes Verständnis von besagten LW.
Es gibt diverse Stücke (zB. meditation from Thais), wo solche hörbar gleitenden LW ganz einfach dazu gehöhren. In vielen anderen Stücken aber eben nicht! Und nur um Diese geht es mir.
Technisch gesehen kann selbst ich, als Nichtprofi, sehr leise, präzise LW sielen. Von null auf 5, 6, 7, oder höher, das muss ich intensiv Üben. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass man lieber einen hörbaren, "sicheren" LW spielt, als einen unhörbaren, nur zu 99 % sicheren.
Aber danke für eure sehr interresanten Ansichten.
Herzliche Grüße, schlaft gut, Max.
Was ich geschrieben habe, bezog sich auf Schüler. Leute, die die Chance bekommen, als Solisten Stücke wie Brahms Violinkonzert gemeinsam mit einem Orchester zu spielen, sind über Zweifel an ihrer Technik erhaben. Bei denen wird mit gleitenden Lagenwechseln nichts kaschiert, die machen das absichtlich. Das kann einem gefallen, muss aber natürlich nicht. Es gibt halt auch im Konzertbetrieb der klassischen E-Musik Moden, Trends, individuelle Vorlieben und einen Zeitgeist, durch den sich Spiel- und Aufführungspraxis ständig verändern.
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