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Geige spielen lernen ?

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Clemens90 Profilseite von Clemens90, 15.02.2013, 00:36:56
Geige spielen lernen ?

Hallo liebe Community,

 

ich überlege im Moment ob ich mit dem Geige spielen anfangen soll, denn ich finde den Klang dieses Instrumentes einfach wunderschön. Jedoch gibt es mehrere Hindernisse die mich zögern lassen. Zum einen bin ich bereits 22 Jahre alt und habe mehrfach gelesen, dass man das Geige spielen möglichst schon als Kind anfangen soll. Des weiteren intessiert mich (man möge es mir verzeihen) die klassische Musik kein Stück. Viel mehr bin ich daran interessiert, mittelalterliche Stücke mit der Geige zu lernen. Gerne können da auch moderne Elemente der elektronischen Musik mit einfließen, wie es Lindsey Stirling aktuell macht. Teilweise find ich auch die Folk/Folkrock Musik die so irisch angehaucht ist super.

Hier mal ein paar Beispiele von Stücken die mir gefallen, damit ihr einen Eindruck bekommt was ich meine. 

Beispiel 1

Beispiel 2

Beispiel 3

Beispiel 4

Jetzt stellt sich mir natürlich als Laie die Frage, ob es überhaupt möglich ist Geige spielen zu lernen, ohne je klassiche Stücke gespielt zu haben. Gibt es überhaupt Lehrer für meinen Musikgeschmack und wenn ja, lohnt es sich dann noch mit 22 anzufangen? Wie schnell lernt man so spielen ? Selbst als Laie hört man ja, dass die klassischen Lieder weit schwerer zu spielen sein müssen, als das, was ich als Beispiele verlinkt habe. 

Ein weiterer Faktor sind natürlich die Kosten. Ich glaube mit einer E-Geige würde ich wohl am günstigsten kommen und hätte sogar den Vorteil meine Mitmenschen nicht mit schiefen Tönen Quälen zu müssen. Gibt es da Empfehlungen von euch ?

Ich würde mich freuen wenn Ihr euch die Zeit nehmt auf meine Fragen einzugehen. 

LG Clemens

Aranton Profilseite von Aranton, 15.02.2013, 02:03:04

Wenn Du einem David Garrett Konkurrenz machen willst, bist Du zu spät dran. Wenn Du aber für den Hausgebrauch oder Zusammenspiel mit rücksichtsvollen Freunden Geige lernen möchtest; wieso nicht?

Wie lange man braucht, um ein gewisses Niveau zu erreichen hängt von verschiedenen Faktoren ab; dem eigenen Talent, der Zeit, die man fürs Üben übrig hat und der Qualität der Lehrer. Aber um mit den Leuten, zu denen Du verlinkt hast, mithalten zu können, müsstest eher Jahre als Monate investieren. Es ist eine Sache, eine Melodie nachspielen zu können und eine andere, es ausdrucksvoll interpretieren zu können, wie es bei den Videos zu denen Du verlinkt hast, geschieht. Zwar könntest Du einige dieser Stücke schon viel früher spielen, aber eben nicht so. Das ist ein Reifungsprozess der Zeit und Übung braucht. Denk Dir das ein bisschen so wie das Schreiben. Ein Zweitklässler kann schreiben. Aber er hat noch keine eigene Handschrift und man sieht, selbst wenn keine Fehler drin sind, dass das Ganze noch unbeholfen ist. Das Unbeholfene verschwindet noch während der Grundschule, aber bis aus der Anfängerschrift eine individuelle Handschrift wird, setzt die Pubertät ein.

Was das Repertoire angeht, wirst zumindest anfangs schon Stücke spielen, die Dir nicht gefallen. Auch wenn ein guter Lehrer bei der Stückeauswahl Rücksicht auf den Geschmack des Schülers nimmt, muss das technische Niveau ja passen und da wird es nicht immer leicht sein, im Folkbereich Stücke zu finden, die weder zu schwer noch zu leicht sind. Aber vielleicht kommst Du ja auf den Geschmack, wenn Du beim Geige lernen mit anderer Musik konfrontiert wirst?

E-Geigen sind nicht unbedingt günstiger als akustische Instrumente. Schließlich  muss man, wenn man auch mal für andere spielen will, noch einen Verstärker dazu kaufen (außer natürlich, Du hast sowas schon rumstehen, dann ändert sich die Rechnung), der meines Wissens für unter 100€ kaum zu kriegen ist. Ein Dämpfer, mit dem eine akustische Geige genauso leise wie eine E-Geige wird, ist schon für sechs bis sieben Euro zu haben. Wenn Du das Geld, das Du für einen Verstärker ausgeben müsstest, in eine bessere Qualität der akustischen Geige und vor allem des Bogens investierst, und den Nachbarn zuliebe einen Dämpfer kaufst, bist Du meiner Ansicht nach besser bedient.

Ich habe mir vor einiger Zeit, auch aus der Überlegung heraus, die Nachbarn zu schonen, eine billige E-Geige zugelegt. Inzwischen benutze ich sie kaum noch. So viel leiser ist sie gar nicht; was allerdings vor allem damit zu tun hat, dass sie, wenn ich richtig reingehe alle möglichen Nebengeräusche produziert. Die ließen sich zwar durch ein paar "Tuning-Maßnahmen" eliminieren, aber das kostet auch wieder Geld. Wenn ich meiner akustischen Geige einen Dämpfer verpasse ist sie leiser, weil es da keine Nebengeräusche gibt. Außerdem ist die E-Geige schwerer, die Balance ist anders, und sie kippelt beim Spielen auf der Schulter was z.B. Saiten- und präzise Lagenwechsel spürbar erschwert. Ich kann gut genug spielen, um das zu kompensieren, aber einen Anfänger dürfte das vor unlösbare Probleme stellen. Es ist schwer zu beschreiben, aber die E-Geige spielt sich nicht so angenehm und gut meine akustische Geige. Allerdings vergleiche ich da auch ein bisschen Äpfel mit Birnen, meine akustische Geige hat 1990 viertausend DM gekostet, die E-Geige ist mit rund 350€ gelistet.

Ginger Profilseite von Ginger, 15.02.2013, 12:46:03

Hallo Aranton,

danke für Deine gute Antwort. Besonders gut fand ich Deinen Vergleich mit dem Schreiben bzw. der Schrift. thumbs_up

Ich spiele seit 2 1/2 Jahren Geige (Lust und Frust geben sich dabei ständig die Hand) und ich empfinde mein Geigenspiel wie das Gekrakel eines Kindes. Zwischen "einen Ton irgendwie zu treffen" und ihn so wunderschön zu spielen, daß die Zeit stehen zu bleiben scheint, liegen Jahre, Jahrzehnte des Übens und Reifens.
Aber bald schon wurde mir klar, daß der Weg das Ziel ist. Und so wie ich als Kind gerne und viel geschrieben habe und "Schönschrift" übte (später kam dann Kalligraphie und Zeichnen dazu) um heute eine schöne, gleichmäßige und unverwechselbare Handschrift zu haben, möchte ich dann auch an meinem Geigenspiel arbeiten. Wie weit ich kommen werde? Keine Ahnung, aber solange ich so viel Bereicherung auf dem Weg erfahre und so viel Neues lerne, ist es mir die Zeit wert.

Also, nochmals danke für Dein schönes Gleichnis mit der Handschrift.

Grüße

Ginger avatar

Basskind Profilseite von Basskind, 15.02.2013, 13:15:38

Hallo Clemens!

Zunächst mal Glückwunsch zur Überlegung Geige zu lernen. Aranton hat ja schon einiges und richtiges geschrieben thumbs_up. Ich möchte ganz besonders hervorheben: Die richtige Fertigkeit einen schönen und auch jeweils passenden Ton zu erzeugen wirst Du nur mit einem akustischen Instrument erreichen. Ich kenne einige E-Geiger - auch Profis - und deren einhellige Meinung ist: Nur mit einem akustischen Instrument beginnen! Nun bin ich selbst ja Bassist und da sind die Verhältnisse in etwa analog: Ein EUB (Electric Upright Bass) ist kein elektrifizierter Kontrabass, sondern klanglich und spieltechnisch ein anderes Instrument (und das ist auch gut so!), bestimmt aber kein "Kontrabaß light" um das "richtige" Kontrabaßspiel zu erlernen. - Ich selbst habe in weit fortgeschrittenerem Alter als Du (allerdings mit professionellen Kenntnissen auf anderen Instrumenten) mit dem Kontrabaßspiel begonnen, zuerst klassisch-akustisch, ein EUB kam erst lange Zeit später dazu.

Was nun den Stil anbelangt: Kein vernünftiger Geigenlehrer wird Dich dazu drängen klassische Streichquartette oder zeitgenössische Musik zu spielen, wenn Du ihm Dein Anliegen mitteilst, bis dahin wird sowieso noch eine Zeit vergehen. (Privileg des Amateurs nur das zu spielen was er mag - im Gegensatz zum Profi.) Die Grundlagen wie Tonerzeugung, Intonation, Tonleitern, Bogentechniken etc. sind aber in allen Stilen gleich, da kannst Du Dich anfangs ruhig der bewährten Didaktik eines "Klassikers" anvertrauen. Wenn Du dann in der Lage sein wirst Stücke zu spielen, sollte ein zeitgemäßer Unterricht so zu gestalten sein, daß dann halt Folk(rock) anstelle von Barock (kann aber auch ganz schön "rocken" 4) geübt wird. Und überhaupt: Häufig kommt der Spaß an der Musik mit dem Spiel, ich selbst habe schon eine Menge Musik gespielt, die ich mir zuhause nie anhören würde, sie selbst mit anderen zu spielen ist aber etwas ganz anderes.

Am besten wird es sein, wenn Du Dich mit einer Musikschule in Verbindung setzt und mal mit einem akustischen Leihinstrument beginnst. Schließlich gibt es ja auch die - wie in Deinen Videos zu sehen - Möglichkeit ein akustisches Instrument zu verstärken. Streichinstrumente sind nicht "schwerer" zu erlernen als andere Instrumente, nur braucht man anfangs deutlich mehr Geduld und Durchhaltevermögen bis es mal nach etwas klingt, dafür solltest Du schon ein bis zwei Jahre ansetzen. Aber es lohnt sich.

Grüße

Thomas

Clemens90 Profilseite von Clemens90, 15.02.2013, 17:34:07

Hallo Aranton und Thomas!

 

Danke für eure Antworten. Ihr habt mir echt weiter geholfen. Ich werde mich nun mal in der Nähe nach einem Privatlehrer oder einer Musikschule umschauen. Leider scheint es nach ersten Recherchen wohl nur Jugendmusikschulen in der Gegend zu geben. Aber vielleicht werde ich ja an den Aushängen der Einkaufsläden fündig. Parallel dazu werde ich mal nach einer gebrauchten akustischen Geige Ausschau halten.Dazu fallen mir auch schonwieder ein paar Fragen ein.

Auf was sollte man denn beim Kauf einer Geige besonders achten bzw.woran erkenne ich ein gutes Instrument, mal abgegsehen vom Preis und was braucht man noch an Zubehör? Ich habe gelesen, dass man für den Bogen so ein Harz braucht. Gibt es noch mehr was zwingend erforderlich ist ?

Wieviel Unterricht sollte man wöchtenlich denn mindestens nehmen, damit sich nach ein paar Jahren auch wirklich ein Erfolg feststellen lässt ? Reicht einmal pro Woche ? Ich denke gerade am Anfang wird man sich autodidaktisch zuhause noch nicht so viel selber beibringen können, oder ? Andererseits ist der Unterricht mit Sicherheit auch ziemlich teuer und da ich alleinstehend bin muss ich auch auf mein Budget achten.

 

Lohnt sich im meinem Alter noch Gruppenunterricht ? Andere in meinem Alter werden mir doch warscheinlich meilenweit voraus sein und soviele ältere Neuanfänger wird es wohl nicht geben.

Achja und falls ihr im Raum Hameln jemanden kennt der unterrichtet, würde ich mich über einen Hinweis freuen, wie ich mit der/demjenigen Kontakt aufnehmen kann.

 

Danke im Voraus!

Gruß Clemens

Aranton Profilseite von Aranton, 15.02.2013, 18:37:41

Hallo Clemens,

ich sehe es wie Basskind, für den Anfang wäre es besser, eine Geige zu leihen als eine kaufen. Viele Kriterien kann man als Anfänger nur schlecht überprüfen; um zum Beispiel zu testen, wie die Ansprache ist, muss man, wenn es kratzt oder pfeift sicher sein können dass wirklich an der Geige und nicht an der eigenen Spieltechnik liegt. Wenn Du ein halbes, oder vielleicht sogar ein ganzes Jahr gespielt hast, kannst Du ausprobieren und beurteilen, ob Du mit einer bestimmten Geige zurecht kommst oder nicht. Erkundige Dich nach Mietkaufverträgen. Da mietet man ein Instrument und bekommt, wenn man dort eines kauft, einen Teil der Miete auf den Kaufpreis angerechnet. Ein Leihinstrument hat in den meisten Fällen außerdem den Vorteil, dass Du ein Instrument benutzen kannst, dass um einiges hochwertiger ist, als das was Du für den Mietpreis kaufen könntest und Du. Und wenn Du nicht dabei bleiben solltest, hast Du überschaubare Kosten. Wenn Du darauf spekulierst, eine gebrauchte Geige wieder verkaufen zu können, wird das schwieriger; zwar wird man eine Geige auf ebay und Co wohl verhältnismäßig leicht los; aber dafür sind die Preise unter aller Kanone. Und, nein das macht ebay nicht zu einer Quelle für günstige Geigen; wenn man sich nicht sehr gut auskennt, kauft man da schnell teuren Schrott und Rückgabe ist bei Verkäufen von Privat nicht.

 

 Für den Fortschritt ist weniger die Anzahl der Unterrichtsstunden entscheidend als die Zeit, die man mit Üben verbringt. Heißt: einmal Unterricht in der Woche sollte reichen; und mehr Unterricht bedeutet nicht unbedingt schnelleres vorankommen. Ob Gruppenunterricht für Dich eine Option ist hängt von den Gruppen, die es bei Dir so gibt ab. Ältere Anfänger sind nicht so selten, wie Du vielleicht glaubst; aber wie es konkret bei Dir in der Region aussieht, musst Du die Anbieter des Gruppenunterrichtes fragen. Die können Dir sagen, ob es eine Gruppe mit erwachsenen Anfänger gibt oder ob Du Dich zu einer Krabbelgruppe gesellen musst.

Zum Zubehör: Je nachdem, wie Dein Körperbau ist, wirst Du eine Schulterstütze benötigen. Es kann außerdem sein, dass der Kinnhalter, mit dem Deine erste Geige kommt, nicht zu Dir passt und ausgetauscht werden muss. Außerdem muss eine Geige regelmäßig gestimmt werden; wenn Du kein absolutes Gehör hast, brauchst Du ein Stimmgerät oder wenigstens eine Tonquelle für's a. Dass man zum Transportieren ein Etui haben sollte, sollte auch klar sein.

micha60 Profilseite von micha60, 16.02.2013, 13:15:40

Hallo Clemens,

ein ergänzender Punkt: Wenn es darum geht, Töne auch noch ausdrucksvoll zu produzieren, ist es auch wichtig, möglichst viel von "Deiner" Musik zu hören. Eine Möglichkeit ist, Deine Lieblingsgeiger bei www.lastfm.de einzugeben und Dir Ähnliches vordudeln zu lassen, bis die Ohren überlaufen.

Übrigens ist der/die Geigenlehrer/in auch dazu da, Dich zur richtigen Wahl von Schulterstütze, Kinnhalter und weiterem Zubehör zu beraten.

Viel Spaß!

Sarah Profilseite von Sarah, 17.02.2013, 09:10:57
Hallo Clemens,

schau doch mal in den Thread "Spätgeiger" rein! Da findest du tolle Berichte! Und danach hast du bestimmt keine Zweifel mehr, dass Geige spielen an zu fangen ;)
Mir ging es jedenfalls so. Und jetzt spiele ich schon fast ein Jahr und bereue es nicht!!!

Liebe Grüße
Sarah
Neuester Beitrag Anima Profilseite von Anima, 24.02.2013, 19:25:00

Also wenn du einigermaßen talentiert bist, solltest du relativ schnell dazu in der Lage sein diese Stücke spielen zu können, zumal die ja technisch nicht gerade besonders anspruchsvoll sind und mit einem halbwes guten Gehör und ein wenig Gefühl für Musik ist das Treffen der richtigen Töne ziemlich schnell kein Thema mehr, das geht dann automatisch. Schwieriger wird es dann bei technischen Raffinessen und den Lagenwechseln.

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