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Bei einem Museumsbesuch jetzt am Wochenende viel mir das Bild "Musizierende Soldaten" von Valentin de Boulogne aus dem Jahre 1626 auf:
Auf diesem Gemälde, welches ja noch aus den Anfängen der geigenden Musizierkunst stammt, ist die Stegposition deutlich hinter die F-Kerben gesetzt. Hier kommt natürlich die Überlegung auf: gab es solche Klangeinstellungen in dieser Zeit tatsächlich , oder ist es - was ich fast vermute - eine bildkompositorische Veränderung des Malers, der dadurch den Bogen genau in die Mitte zwischen Griffbrettende und Steg setzte. Solche Freiheiten waren möglicherweise einem Maler in der damaligen Zeit gegeben.
Hast Du Bernhard oder jemand anderes darüber schon mal was gehört?
Das ist ein sehr interessantes Thema - obwohl leider zu diesem Thema ausser den Ikonographischen Darstellungen nichts überliefert worden ist. Ich hoffe immer noch dass ich mich irre, und mich jemand auf historische Texte hinweist...
In ungefähr einem Drittel aller mir bekannten Darstellungen von Geigen und anderen Streichinstrumenten ist der Steg unterhalb der F-Kerben abgebildet, Zufall oder künstlerische Interpretation muss man bei solch einem hohen Anteil wohl ausschliessen. Mir sind aber nur zwei Abbildungen bekannt, wo der Steg höher als die Kerben steht.
Der Stimmton "a" war damals von Stadt zu Stadt verschieden, bei einem besonders tiefen "a" würde eine verlängerte Saite Sinn machen, da die e-Saite umso besser klingt, je näher sie an die Bruchlast gebracht wird. In Frankreich waren Stimmungen um 390Hz durchaus üblich, wodurch eine längere Saite sicher wünschenswert war.
Bisher klingt die versuchte Erklärung recht logisch, doch nun kommt der Haken:
Es gibt keine erhaltenen Instrumente, die an dieser Stelle Spuren von Stegfüssen aufweisen. Ein Steg, der längere Zeit in der selben Position stand, würde zweifelsfrei Spuren hinterlassen... (Auch hier bin ich für jeden Hinweis dankbar!)
Was hat es also auf sich? Das würde ich auch gerne wissen!
Experimente mit Stegposition / Stimmungen stehen bei mir ganz oben auf der Liste, ich müsste mal die Zeit finden... oder mir sie nehmen. Natürlich werde ich dann berichten.
Hier noch ein Bild von Leopold Mozart, der in seiner Violinschule folgendes zum Steg sagt: "Übrigens hat der Sattel (damit meint er den Steg) seinen Ort auf dem Dache (Decke) der Violin in der Mitte der zweenen Ausschnitten, welche in in der Gestalt eines lateinischen F Buchstabens auf beiden Seiten angebracht sind."
Obwohl Leopold Mozart in seinem Werk von höheren und tieferen Stimmungen spricht, will er den Steg immer in der Mitte zwischen den Kerben haben. Sein Porträt steht hierzu in Konflikt:
Der Bereich zwischen den F-Löchern lässt sich ja leichter in Schwingung versetzen. Eine Umpositionierung des Steges soweit nach hinten müsste dieses Schwingungsverhalten stärker einschränken, was mich verwundern würde. Stegabdrücke befinden sich ja fast immer im klassischen Bereich zwischen den F-Kerben.
Der optische Aspekt - bei einem Bild bestimmte Verhältnisse einzuhalten - war früher sicherlich ein wesentlicher Bestandteil. Auch bei dem Mozartbild findet sich diese Aufteilung eines gleichen Abstandes zwischen Griffbrettende -Bogen - Steg wieder. Allein von der Saitenansprache ist es jedoch fatal, den Bogen soweit vom Steg zu entfernen. Das weiss jeder Musiker, dass ein klarer Ton nur in einem bestimmten Bereich optimal anspricht. Wenn die optimale Strichstelle zu weit außerhalb des C-Bügels liegt, lässt sich ein Instrument auch schlecht spielen. Man gerät mit dem Bogen an die Deckenecke. Das alles spricht doch dagegen (wie auch die fehlenden Abdrücke am Korpus), dass es solche Stegpositionen wirklich gegeben hat.
Die fehlenden Abdrücke auf und in den Instrumenten lassen auch mich an der Richtigkeit der Darstellungen zweifeln, doch lässt es mir wegen der Häufigkeit dieses Phänomens noch keine Ruhe...
Testweise habe ich bei einer einfachen Geige einmal den Steg in eine solche Position verschoben.
Die Bogenhand gerät beim Spielen am Frosch regelmäßig in Kollision mit der unteren Deckenecke. Sehr unpraktisch....
Hallo zusammen,
Ich habe vor kurzem eine Geige gekauft, die ich wieder in Stand setzen möchte. Auf dem Zettel innen steht: Andreas Kempter Lauten- und Geigenmacher in Dillingen 1776. Nun ist mir aufgefallen, dass der Steg ziemlich weit nach hinten zum Saitenhalter liegt, über 2 cm hinter dem Stimmstock. Abdrücke der Stegfüße im Lack deuten darauf, dass diese Position gewollt ist und der Steg nicht einfach da von einem Laien platziert wurde. Soll ich den Steg auf die Markierungen lassen? Soll ich ihn lieber zwischen den Kerben vom F-Loch platzieren? Kann ich davon ausgehen, dass die Geige tatsächlich aus 1776 stammt?
Die "Markierungen" können neben den Stegfüßen auch andere Ursachen - wie z.B. unsagemäß montierte Feinstimmer - haben. Deshalb würde ich an Deiner Stelle die Stegposition neu ausmessen, damit die Mensur sicher stimmt. Die sollte zwischen 325 und 328 mm betragen.
Für Aussagen über das Alter sind die Bilder ungeeignet. Aber es gibt ein paar Indizien, die Du selbst überprüfen kannst. 1776 wurde noch mit der barocken Bauweise gearbeitet. Wenn der Zettel die Warheit sagt, müsste Deine Geige entweder der barocken Bauform entsprechen oder im Laufe ihres Leben umgearbeitet worden sein. Beides ist am einfachsten am Hals, bzw. dem Übergang vom Hals in den Korpus bzw. den Wirbelkasten zu erkennen. Wenn der Hals der heutigen Konstruktion entspricht, und es keine Umbauspuren (wenn Du hier in der Kopfzeile unter "Geigen-Infos" auf Reparaturen erkennen klickst, findest Du unter dem Stichtwort "Anschäfter" Bilder dieser Umbauspuren) gibt, ist der Zettel gefälscht. Leider ist es umgekehrt nicht so eindeutig. Wenn ein Anschäfter zu zu erkennen sind, bedeutet das nicht automatisch, dass der Zettel die Wahrheit sagt, denn erstens kann so ein Anschäfter auch aus anderen Gründen notwendig werden und zweitens wurden auch die dabei entstehenden "Fugen" gefälscht.
Dass die Markierungen von Feinstimmer stammen, schliesse ich aus, aufgrund der Form und Position der Markierungen.
Anschäfter kann ich am Hals der Geige nicht erkennen. Der Hals hat eine Länge von 13 cm, was die heutigen Massen entspricht, so weit ich weiß.
Ich möchte nicht behaupten - aber dennoch vom Bauch her vermuten - dass die Geige *deutlich* jünger ist als 1776 ist. Mehr kann man wirklich nur sagen, wenn man sehr detailierte Fotos, oder besser: die Geige in den Händen hat.
Die Spuren kommen auch mit Sicherheit nicht von einem Feinstimmer - dann müssten sie unterhalb des Saitenhalters sein, was sie eindeutig nicht sind - selbst mit extrem langer Henkelsaite nicht erreichbar.
Wenn Bassbalken und die Position (oder alte Abdrücke) der Stimme ebenfalls auf eine "normale" Konstruktion hindeuten, würde ich den Steg auf jeden Fall zwischen die Kerben der F-Löcher positionieren und die Position der Stimme ebenfalls entsprechend korrigieren.
Liebe Grüße,
Thomas
Der Stimmstock wäre jetzt auch noch ein Problem. Der steht zwar gerade aber oberhalb der F-Loch-Kerbe in Richtung Griffbrett. Wenn ich mit meiner neueren Geige vergleiche, steht der Stimmstock weiter unten zum Saitenhalter. (Hoffentlich mache ich mich verständlich!) Wenn ich den Steg gegenüber dem Stimmstock richtig histelle, dann bleibt recht wenig Platz zum streichen...
Ich füge noch ein paar Bilder dazu.
Hallo! Ich heiße Vinicius Chiaroni, spreche aus Sao Paulo und spiele barocke Violine. Ich bin im Internet gesurft, wann diesen alten Beitrag entdeckt habe. Ich spreche ein bisschen Deutsch und versuche etwas so schreiben! Ich weiß, dass der Kommentar etwas altes ist, aber trotzdem möchte ich einen Kommentar machen. Damit hoffe ich helfen, wenn es vielleicht möglich ist. Ich kenne eine mögliche Erklärung für die Frage über die Stegposition.
In der Alten Musik haben wir viele Referenze um die Instrumente zu stimmen. Zum Beispiel, heute benutzten wir vier haupte "Diapasone": A = 466 Hz, 440 Hz, 415 Hz, 392 Hz - jeder ein Halbton auseinander. Diese Referenze sind nur heute als Standard verabschiedet. Aber in der Vorgangenheit (vom 17. zum 19. Jahrhundert) war es noch vielfältiger. Das ist ein erster Punkt, der zeigt, dass die Veranderungen sind viele. Auch haben wir viele alte Violine mit kleinen Variationen in der Körperlänge (weiß nicht wie das "Gehäuse" der Violine auf Deutsch heißt!) - klein aber nicht unbedeutend, denn bei Musikinstrumenten ist jeder Millimeter wichtig. Eine Erklärung für den Größenunterschied ist, dass die meisten Musiker maßgeschneiderte Violinen bestellte - gemäß ihrer Anatomie und ihres Violinemodells. Wichtig: vergessen wir nicht, dass originale Violinen nicht mit dem originalen Hals zu uns gekommen sind, denn die überwiegende Mehrheit wurde im 20. Jahrhundert durch modernen Hals ersetzt. Ok, die Körper der Violinen können verschiedene Größen haben, aber in der Liuteria [violin makers] scheint es mir fast ein Konsens zu sein, dass die Größe der vibranten Saite (zwischen den Steg und den Sattel) einem Muster am nächsten kommen sollte: 330 mm / 13 Zölle. (Ich weiß nich was wäre der Muster für Viola, aber ich glaube, dass es die selbste Proportion folgt). Also können wir vorstellen: mit einem etwas kleineren Körper und kleineren Griffbrett, der beste Weg, um den Muster für die Saitengröße beizubehalten, besteht darin, den Steg zurückzuziehen - in Richtum zum Seitenhalter.
Dies kann ich aufgrund meiner Forschungen und Praktiken sagen. Ist diese Erklärung plausibel? Bitte kommentieren! Ich hoffe, dass mein Deutsch genug um es zu erklären war, und ich würde gerne helfen. Noch mehr über Violine und alte Musik zu reden.
Grüße aus Brasilien!
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