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Guten Morgen,
zwecks geplantem Abschluss einer Instrumentenversicherung für meine Bratsche bin ich auf der Suche nach individuellen Merkmalen, die zu ihrer weitgehend eindeutigen Identifizierung geeignet sind (sie hat nämlich nirgendwo* einen 'Zettel' oder sonstige schriftliche Angaben zu Herkunft oder Baujahr).
Abgesehen davon interessieren mich diese Sachen auch so.
Als ich das Instrument vor knapp acht Jahren gekauft habe, wurde mir gesagt, sie sei wohl so um die hundert Jahre alt und stamme ursprünglich vermutlich aus Böhmen. (Damals kam ich nur leider noch nicht auf die Idee, zumindest mal zu fragen, wie der Geigenbauer denn zu diesem Schluss kam; und auch diese 'Details' habe ich erst später entdeckt, obwohl ich beim Kauf von meiner damaligen Bratchenlehrerin beraten wurde.) Jedenfalls riecht sie innen wirklich 'alt', und das Holz sieht innen auch alt aus.
Aber nun zum Eigentlichen:
Am Übergang vom Hals zum Wirbelkasten hat die Bratsche eine Art Fake-Anschäfter. Siehe Fotos.
Besonders auf der Seite der A-Saite ist zu erkennen, dass die Holzmaserung ununterbrochen durchläuft. Auch geht die 'Linie' oben gar nicht ganz bis an die Kante, und an der Halsunterseite ist sie dünn und 'zaghaft' und sieht auch für weniger geübte Augen (wie meine noch) einfach aufgemalt aus.
Dann wurde offenbar irgendwann das Griffbrett mit einem aufgeleimten Stück Holz 'höhergelegt', was aber sehr gut gemacht zu sein scheint.
Zudem wurden offenbar auch mal die Wirbel der A- und G-Saite durch Neubohrung weiter nach unten versetzt (bei den ursprünglichen Lochpositionen wäre die D-Saite sonst wohl extrem auf diesen Wirbeln aufgelegen).
Meine Fragen dazu sind jetzt vor allem:
a) Was sagt mir das alles? Ergibt sich daraus vielleicht irgendeine Art 'Gesamtbild' zur möglichen Geschichte, Herkunft und etwaigem Alter des Instruments? (oder kommt das alles vermutlich eher zufällig zusammen und und hat nichts miteinander zu tun?)
Und wozu soll ein 'Fake-Anschäfter' gut sein, vor allem, wenn er so wenig überzeugend gemacht ist?
b) Wie häufig kommen solche Sachen bei Bratschen vor, und wäre diese Kombination entsprechend zur mehr oder weniger eindeutigen Identifizierung des Instruments geeignet?
***
* soweit ich mithilfe von Lampe und Zahnarztspiegel sehen konnte
Einen Fake-Anschäfter hat meine Geige auch, ebenso einen Fake-Nagel am Hals und an der Unterzarge, andere Geigen haben zusätzlich Fake-Spuren vermeintlich neu ausgebuchster Wirbellöcher, also alles Dinge, die den Eindruck von "antik" (= wertvoll) erwecken sollen. Echte Anschäfter beispielsweise enstanden ja dadurch, den originalen kurzen barocken Hals in steilerem Winkel durch einen modernen Hals auszutauschen und ist daher ein Indiz für ein altes Instrument vor 1800. Gefakte Anschäfter sind deshalb besonders sichtbar, weil man ja unbedingt sehen soll, dass die Geige einen hat. Instrumente mit solchen Spuren wurden um 1900 und in der ersten Hälfte des 20. Jh. zuhauf in den Manufakturen in Böhmen und Sachsen gefertigt. Vermutlich waren es noch weitere Merkmale Deiner Bratsche wie die Schnecke, die Randeinlagen und die allgemeine Verarbeitung, die den Geigenbauer dazu veranlasst haben, das Instrument um die Jahrhundertwende nach Böhmen zu verorten. Bei Geigen ist eines der sichersten Indizien zusätzlich oft ein Stradivari- oder Stainerzettel.
Ach ja, meine Geige ist auch um die 115 Jahre alt und kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Sachsen.
Zum höher gelegten Griff kann ich was sagen: Griffbretter sind Verschleißteile. Durch den Gebrauch bilden sich in ihnen Rillen und wenn die eine gewiss Tiefe überschreiten, beeinträchtigt das den Klang. Dann werden die Griffbretter abgezogen - das heißt es wird so viel abgehobelt, dass keine Rillen mehr da sind und die ursprüngliche Wölbung wieder hergestellt. Wenn das ein paar mal gemacht wurde, ist das Griffbrett zu dünn. Meines wissens wird dann normalerweise ein komplett neues Griffbrett aus einem neuen Stück Ebenholz gemacht. Aber Ebenholz ist teuer und war nicht immer verfügbar. Deshalb vermute ich, dass bei Deiner Bratsche jemand einen Holzrest (vermutlich ein zweites verschlissenes Griffbrett benutzt hat, um auf die erforderliche Dicke zu kommen. Es könnte aber auch - wie der Fake-Anschäfter - ein Trick sein, das Instrument älter erscheinen zu lassen als es ist; ich halte das aber - weil es mit viel Aufwand verbunden ist - für weniger wahrscheinlich als die Sparmaßnahme.
Danke euch für die Antworten!
Zum höher gelegten Griffbrett: Bisher hatte ich den Eindruck, dass das Extra-Teil eher den Zweck der Halsverdickung/-erhöhung erfüllen sollte, bevor das Griffbrett draufkam, und nicht einen Teil des Letzteren ersetzen sollte. Aber da kann ich mich täuschen.
Jedenfalls ist das jetzige Ebenholz-Griffbrett 'normall dick' (wodurch mir der Hals mit Griffbrett im Vergleich zu Fotos anderer Instrumente insgesamt eher sehr dick erscheint), und das Extra-Holzteil zieht auch NICHT mit diesem über den Korpus in Richtung Steg, sondern endet mit dem übrigen Hals am Halsansatz.
Aber klar, das Extra-Teil könnte vielleicht ursprünglich den Griffbrett-Sparzweck gehabt haben und dann später am Halsansatz abgesschnitten und das Massiv-Ebenholz-Griffbrett aufgesetzt worden sein. (?) Aber wäre es dann nicht naheliegend gewesen, das Extra-Teil erst zu entfernen?
Zum Fake-Anschäfter: Kurios, ich hätte gedacht, dass - wenn man weiß, was ein Anschäfter ist, und denken soll, das Instrument sei richtig alt und umgebaut - ...dass sich die Leute zumindest so viel Mühe mit dem Fake-Anschäfter geben würden, dass man nicht gleich auf den anderthalbten Blick sieht, dass die 'Linie' eben keine echte Verleimung, sondern einfach aufgemalt ist. ;-)
Nun denn - gute Nacht
Das mit den falschen Anschäftern wurde gemacht, bevor es das Internet gab, und jeder in zwei Sekunden rausfinden konnte, was dahinter steckt. Für jemanden, der nur theoretisch und ohne je hochauflösende Bilder gesehen zu haben, gehört hat, was ein Anschäfter ist, ist so ein falscher Anschäfter gar nicht so leicht von einem echten zu unterscheiden.
Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass es im 19. Jahrhundert Kopisten gab, die "Stradivaris" inklusive Anschäfter nachgebaut haben, ohne selbst zu wissen, was es damit auf sich hat.
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