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Hallo,
mal eine blöde Frage, ist es möglich nur einen Bogen beim Geigenbauer zu mieten?
Ich spiele derzeit das Praeludium und Allegro von Kreisler und habe festgestellt dass bei den Parts mit dem Sautillé leider meine Bogenspitze etwas unkontrolliert ausbricht, ich habe die Stellen mit dem Bogen meiner Lehrerin probiert und festgestellt, dass das mit ihrem Bogen wesentlich besser geht. Ich habe ihr daraufhin meinen Bogen gegeben und sie hat dasselbe festgestellt wie ich, also liegt es wohl nicht an meiner Spieltechnik, sondern tatsächlich am Bogen, bei dem mir sowieso der Schwerpunkt (ziemlich froschlastik) nicht besonders gefällt. Nun bin ich leider zur Zeit (Student) finanziell nicht in der Lage mit einen guten Bogen kaufen zu können, daher meine Frage kann man bei einem Geigenbauer NUR einen Bogen mieten und ist das versicherungstechnisch überhaupt möglich? Mit meinem Instrument bin ich mehr als zufrieden, nur eben mit dem Bogen nicht...
Ansonsten, nehmen Geigenbauer gebrauchte Bögen in Zahlung? Der Bogen den ich habe ist einer der "besseren" Brasilholz-Bögen von AIBR Schaeffer, neusilber-montiert und sehr schön gearbeitet (eben leider mit der genannten Problematik) und laut Rechnung vom Geigenbauer preislich bei 350 €.
Hallo Anima!
Wenn Dein Bogen eine Metalldrahtumwicklung hat und wenn Du keine Stahlsaiten spielst, gibt es zu einem anderen (oder gemieteten) Bogen folgende einfachere Alternative:
Nimm die Metalldrahtumwicklung von der Bogenstange ab oder wenn Du dir das selbst nicht zutraust, laß Sie von einem Bogen- oder Geigenbauer abnehmen und durch ein breiteres Daumenleder ersetzen. Durch die dadurch erreichte Gewichtseinsparung zwischen 4 bis 6 Gramm verschiebt sich der Bogenschwerpunkt um mindestens 1 cm in Richtung Spitze. Dadurch bleibt der Bogen bei allen Stricharten "besser in der Spur" (darauf kommt es Dir ja gerade an) und er wird in der oberen Hälfte auch etwas mehr Lautstärke liefern, ohne daß Du mehr drücken mußt. D.h. der Bogen entlastet Dich beim Spielen. Zusätzlich verringert der Wegfall des Zusatzgewichtes die Dämpfung des Bogens und verbessert seinen Klang.
Diese Maßnahme (ein Bogenbauer benötigt dafür 15 bis 20 Minuten) sollte höchstens 20 bis 30 EUR kosten. Soviel wirst Du für einen gemieteten Bogen mindestens auch bezahlen müssen. Den abgenommenen Draht der Bewicklung läßt Du dir wieder geben, den hast Du ja schon bezahlt. Eventuell kannst Du den Draht später wieder verwenden, aber das habe ich bisher bei niemandem erlebt.
Neben den oben genannten Verbesserungen Deines Bogens hast Du außerdem folgende Vorteile:
- Der Bogen wird leichter und wesentlich agiler; das dürfte Dir im Kreisler beim Allegro sehr zupasskommen.
- Du sparst Dir den Zeitaufwand einer Bogenauswahl - gerade damit kann man sehr viel Zeit verbringen.
- Du kannst mit deinem gewohnten Bogen sofort weiterspielen, ohne Dich mit einem anderen Bogen über Wochen hinweg erst einspielen zu müssen.
!!ACHTUNG!!WICHTIG!!
Wichtige Voraussetzung für diese Maßnahme ist, wie oben erwähnt, daß Du keine Stahlsaiten spielst. Dazu zählen auch jene angeblichen "high end Saiten" mit synthetischem Kern, deren technische Werte den von Stahlsaiten gleichen.
Die Metalldrahtbewicklungen an den Geigenbögen wurden nämlich erst in den 1940er Jahren mit den damals allmählich in Mode kommenden Stahlsaiten eingeführt. Das zusätzliche Gewicht am Bogen benötigte man, um den schrillen Klang der Stahlsaiten zu dämpfen. Vor den 1940er Jahren als man fast ausschließlich Darmsaiten spielte, waren Metalldrahtbewicklungen an Geigenbögen so gut wie unbekannt.
Vor mehr als 30 Jahren hat mich mein Geigenbauer auf diesen Umstand hingewiesen, weil ich damals schon keine Stahlsaiten mehr spielte. Mittlerweile habe ich alle meine Bögen (auch die Silberbögen) von diesem "Schrott" befreit und alle Bögen waren nach dieser "Befreiung" in Klang- und Spieleigenschaften deutlich besser. Orchestermitgliedern die mich in den zurückliegenden Jahren wegen loser oder durchgespielter Bogenbewicklung um Rat fragten, und meiner Empfehlung folgten, die Bewicklung durch ein größeres Daumenleder zu ersetzen, haben mir alle ohne Ausnahme den positiven Effekt der Entfernung der Metalldrahtbewicklung bestätigt. Keine(r) von ihnen hat die Metalldrahtbewicklung später wieder anbringen lassen.
Wenn Du dich über dieses Thema weiter informieren willst, hier der Link zum Weblog eines Bogenbauers der sich mit dem Thema Metalldrahtbewicklung (mit dem gleichen Resultat) genauer befaßt hat und ausführlicher über die Hintergründe berichtet:
http://www.andreasgrutter.nl/bow-couch/strip-your-bow.html
Anmerkung:
Alles ist relativ! Es mag durchaus Bögen geben, die eine größere Dämpfung benötigen und daher ohne Metalldrahtbewicklung schlechter sind. Bisher ist mir ein solches Exemplar noch nicht untergekommen.
Viel Erfolg mit Deinem Bogen und dem Kreisler wünscht Dir
der Stehgeiger
Hallo Stehgeiger, dankefür den Tipp!
Irgendwie juckt es mich in den Fingern das mal auszuprobieren , nur das mit den Stahlsaiten ist mir nicht ganz klar, ich spiele derzet Saiten mit Synthetik Kern (Dominant unten) und eine reine Stahlsaite oben (Pirastro Gold Label). Funktioniert die Methode nur mit Darmsaiten?
Hallo Anima!
Da war ich etwas unpräzise in meiner Formulierung in obigem Beitrag. Mit Stahlsaiten meinte ich dort komplette Stahlsaitensätze.
Ich bitte um Nachsicht.
Dominant-Saiten sind Darmsaiten sehr ähnlich. Um die Stahl E-Saite mußt Du Dir keine großen Sorgen machen. Die Entfernung der Metalldrahtumwicklung der Bogenstange ist nur dann nicht zu empfehlen, wenn jemand überwiegend oder ausschließlich Stahlsaiten oder stahlsaitenähnliche Synthetiksaiten spielt (also z.B. den ganzen Saitensatz G, D, A, E als Stahlsaiten aufgezogen hat). Die weicheren und mittelharten Saiten mit synthetischem Kern sind in ihrem Verhalten den Darmsaiten meist recht ähnlich. Dazu wurden sie ursprünglich auch entwickelt. Eine Übersicht über weichere und härtere Saitenmodelle findest Du in diesem Diagramm:
http://www.violinstringreview.com/uploads/1/5/0/1/15014224/tension_set_201409.png
Im oberen Teil des Diagramms findet man die weicheren Saitenmodelle, im unteren Teil die härteren Saitenmodelle zu den auch die Stahlsaitensätze gehören. Deine Dominant-Saiten findest Du relativ weit oben. Da besteht also wenig Gefahr, daß der Klang mit dem von seiner Metalldrahtumwicklung befreiten Bogen (im Folgenden "gestrippter Bogen" genannt) zu schrill oder scharf werden könnte. Das gilt nach meiner Erfahrung auch mit allen anderen weichen oder mittleren Saitensätzen mit synthetischem Kern.
Sollte Deine jetzige E-Saite mit dem "gestrippten Bogen" zu schrill oder scharf klingen, dann nimm beim nächsten Wechsel
der E-Saite die weiche Ausführung der Pirastro Gold E. Bei meinem Instrument war das nicht nötig und andere haben mir auch keine Probleme dieser Art berichtet. Also keine Angst.
Ich wünsche viel Erfolg bei dem Versuch
Aus der Gesamtmasse eines Bogens ergibt sich u.a. die Schwingungsfrequenz des Bogens. Somit kann eine leichte Veränderung ohne Umwickelung beim Spielverhalten auftreten. Bei den Arcus Carbonbögen werden aus diesem Grund sogar Bögen mit abgeschrägten Fröschen am hinteren Ende angeboten, um Masse einzusparen.
Keine Verbesserung wird beim Tausch gegen ein langes Bogenleder auftreten, wenn z.B. eine Bogenstange zu weich ist oder die Spannungsverhältnisse ungleichmäßig sind.
Da das Problem bei dem o.g. Bogen mehr an der Spitze auftritt, schätze ich eher, dass das Holz in diesem Bereich etwas weicher ist und deshalb instabiler wirkt. Eine kleine Korrektur der Bogenbiegung kann hier eher Abhilfe schaffen. Nur ist eine solche Veränderung (Nachbiegen) immer mit einem gewissen Risiko behaftet. Dem Geiger Leonidos Kavakos ist bei einer solchen Reparatur ein 80Tsd Dollar Josef Henry Bogen zerbrochen. Ein Geigenbauer/ Bogenbauer muss auf solche Gefahren hinweisen und sollte die Gewähr ausschließen.....
www.wqxr.org/#!/story/violinist-sues-luthier-snapping-80000-bow/
Deshalb: lieber einen Bogenbauer bei solchen Dingen aufsuchen, der hat i.d.R die größeren Erfahrungen.
'n Abend, Anima!
Ich habe vor zehn Tagen gerade bei meinem Geigenbauer wegen eines ähnlich gearteten Problems (Ausbrechen an der Bogenspitze, kaum spielbares Sautillé) einen 360€ Bogen gegen einen 410€ Bogen getauscht. Da ich den anderen Bogen auch von ihm hatte und ich ihn beschädigungsfrei retourniert habe, hat er mir bloß den Differenzbetrag verrechnet. Üblicherweise werden bei einem solchen Tausch zusätzlich die Kosten für eine neue Behaarung fällig.
Bitte Deinen Geigenbauer, Dir übers Wochenende ein paar Bögen im ähnlichen Preissegment wie dem Deinen (z.B. bis 450€) zur Probe mitzugeben. Das ist üblich und wirkt in keinster Weise unverschämt, don't worry. In meinem Fall wäre der Bogen mit den attraktivsten Spieleigenschaften überraschenderweise ein 260€ Carbonbogen gewesen, also sogar ein "billigerer" als der bisherige, der aber leider ein wenig zu steif für meine eher hell klingende Geige war und sie auf der E-Saite etwas ins Schrille trieb. Sei's drum, was ich sagen will ist, daß ein Bogentausch wegen eines solchen Problems nicht unbedingt teuer sein muß. Stehgeigers Erfahrung in allen Ehren, und das wird - in der Regel - alles richtig sein. Da aber gerade Du Dein Geld zusammenhalten mußt würde ich mich da auf keine Experimente einlassen.
Guck doch mal Deinem Bogen in gespanntem Zustand den Rücken entlang, vom Frosch zur Spitze mit nur einem Auge. Vielleicht ist er ja zur Spitze hin leicht verbogen? So ein, zwei Millimeter können da an der Spielbarkeit massiv was ausmachen! Das ist gerade bei den günstigeren Manufakturmodellen mit größerer Fertigungstoleranz eine beliebte Ursache für Dein Problem und ließe sich von einem Fachmann rasch und preiswert (10-20€ oder sogar gratis als "Werbemaßnahme") beheben. Mit Fachmann meine ich hier einen Bogenbauer, da zum Biegen viel Erfahrung und eine optimale Temperatur notwendig ist. Ein Brechen des Bogens beim Biegevorgang ist meist die Folge einer unzureichenden Erwärmung, aber verkokeln soll das Holz ja auch nicht... Für einen Bogenbauer ist das Routine, normalerweise passiert da nix. Auf der Homepage von Thomas M. Gerbeth (toller Bogenbauer aus Wien) kannst Du einiges über Geschichte und Technik des Bogenbaus nachlesen wenn's Dich interessiert.
L.G. Harald
Aus dem von Herrn Adam verlinkten Artikel geht auch hervor, daß der betreffende Geigenbauer (sic!) den Bogen vor dem Biegemanöver nicht erwärmt hatte (sic!). Darum gehört eine Geige zum Geigenbauer, und ein (wertvoller) Bogen zum Bogenbauer! Ich geh ja mit einer Blinddarmentzündung auch nicht zum Orthopäden, und wenn der noch so schöne Hüften schnitzt!
Nix für ungut. Nicht jeder hat das Glück, regional in beiden Sparten aus dem Vollen schöpfen zu können... Aber schon ein Pech für den Herrn Kavakos...
Hallo Nuuska,
danke für den Tipp, ich habe festgestellt dass mein Bogen tatsächlich zur Spitze hin leicht gekrümmt ist, obwohl es kein billiger Manufakturbogen sondern ein (zumindest nicht ganz billiger) Schaeffer Bogen ist, na ja. Ich lebe zum Glück in Erlangen, da ist die Geigen-und Bogenbaumetropole Bubenreut gar nicht weit entfernt.
P. S. habe mir übrigens vor ein paar Tagen gerade wegen dem Ausbrechen meines Bogens einen neuen "Zweit-Bogen" aus einem Carbon-Fernambuk-Gemisch gekauft, der hervorragende Spieleigenschaften hat und weitaus billiger war als mein Schaeffer Fernambuk Bogen.
Cool. Wußt' ich gar nicht daß es sowas gibt!
Halt mich am laufenden, falls Du Deine Gurke richten läßt, mich interessiert ob das Problem damit behoben ist! Und geographisch kannst Du ja tatsächlich aus dem Vollen schöpfen. (Hatte übrigens auch schon mal einen "krummen" Bogen um 340 Kröten... Was in meinen Augen immer noch "günstiger" ist, auf einer nach oben praktisch offenen Bogenpreisskala. 8000,- kann man locker schon auch für Neuware ausgeben, die entsprechende Motivation dazu vorausgesetzt :-) )
Ach ja, wie ging das nochmal - "Le violon, c'est l'arch!" (?)
Holz ist Thermoplastisch. Das bedeutet, dass die Holzfaser unter Wärmeeinwirkung biegbar wird und nach dem Erkalten in der befindlichen Form bestehen bleibt. Diese Eigenschaft wird z.B. auch beim Zargenbiegen genutzt.
Einen Bogen über die gesamte Länge zu richten ist i.d.R. unproblematisch. Vorsicht sollte beim partiellen Biegen nur im Bereich der Spitze geboten sein. Verwerfungen im Holz können u.U. Probleme bereiten.
Folgendes kann beim Nachbiegen korrigiert werden: Wenn ein Bogen etwas zu weich ist, kann eine etwas stärkere Biegung mehr Festigkeit bringen. Das ist jedoch nur im bestimmten Rahmen möglich. Ein richtiges "Weichei" bekommt auch hier kein "Rückrat"
Bubenreuth liegt ja in der Nachbarschaft. Da sind Bogenbauer ansässig, die bestimmt helfen können.
Übrigens: Bogenbau ist ein eigener Lehrberuf, wie der Geigenbau auch.
Als Geigenbauer habe ich zwar auch ein paar Bögen gebaut, dabei ist mir jedoch der Respekt zum Bogenbauer gewachsen. Bestimmte Bogenreparaturen leite ich als Geigenbauer an Bogenbauer weiter. Eine gesunde Selbsteinschätzung bei den Reparaturen solte man nie verlieren.
Guter Mann! Wär ich 800 km weiter nördlich, wär ich schon Kunde! ;-)
Beste Grüße, Harald
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