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Im letzten Jahr hatte ich mich ja von meinem alten Fernambukbogen zu einem neuen Carbonbogen für meine alte Cunault-Geige, und von meiner alten Cunault-Geige zu meiner neuen Schleskegeige ‚gehangelt‘. Natürlich sollte später auch die neue ihren neuen bekommen. Ganz, wie es sich gehört. Die Klang-Gestalten Geigen Messe im Herbst in Berlin würde das Verlobungsdatum vorgeben. Das war sofort klar. Schließlich war dieses Happening mit den zum Vergleich von einem wirklichen Könner gespielten Bögen und Geigen schon im letzten Jahr ein Highlight meiner ‚Reise‘. Und diese Terminierung bringt genug Vorlauf, um mich wieder stöbernd dem anzunähern, was mir und meiner neuen wohl am besten bekäme.
Diesmal will ich aber nicht einen langen Bericht am Ende schreiben. Weniger in kürzeren Abschnitten ist vielleicht mehr. Also werde ich von unterwegs berichten. Als Kommentare meines eigenen Intros sozusagen. Und beginnen werde ich in den nächsten Tagen mit einem Rückblick auf die diesjährige Frankfurt Musikmesse und mit einem Bericht von meinem ersten vorgestrigen Besuch bei einem echten Geigenbogenbauer aus Berlin, bei Herrn Mathias Wohlleber.
Vorweg nur dies: er hat mich dringend ermutigt, mich auch wirklich ja langsam anzunähern. Lehrjahre seien keinen Herrenjahre. Niemals. Man müsse auch beim Bogen erst hören und fühlen lernen, was gut für einen sei. Das ginge nur über den Vergleich. Der Bogen sei noch persönlicher, als die Geige.
Das will ich beherzigen. So werde ich also von einzelnen Stationen berichten. Und vielleicht nutzen diese Berichte ja wieder dem einen oder anderen.
" Der Bogen sei noch persönlicher, als die Geige." (Zitat peerceval)
Da hat er meiner Meinung nach Recht.
Deshalb weiß ich nicht ob man die Bogensuche tatsächlich so betreiben sollte, dass man die Bögen vergleicht indem man man hört wie sie "von einem wirklichen Könner gespielt" (peerceval) klingen. Bei der Geige halte ich es ganz sicher für EIN Auswahlkriterium unter vielen wie sie sich anhört, wenn sie von einem Könner gespielt wird. Der Bogen ist jedoch sehr individuell... Hier kann der Könner nur eine Vorauswahl treffen. Es gibt ja Bögen, die einfach offensichtliche Mängel haben, alles andere ist eine sehr individuelle Sache.
... ich bin für Anregungen wirklich offen, liebe Sofie! Ich weiß eigentlich nur, dass ich nur aus mir heraus, keine wohlüberlegte und begründete Entscheidung treffen kann. Wenn ich nur mein Spielgefühl berücksichtige, kann es sehr gut sein, dass ich Unangenehmes fälschlicherweise dem Bogen zuschreibe - und nicht mir. Und wenn ich nur vom dem ausgehen, was in der Nähe meines Ohres klingt, werde ich wesentliche Aspekte nicht erfassen. Die Wirkung eines Obertonbogens im Vergleich mit meinem eher grundtönigen, habe ich ja letztes Jahr schon bei Herrn Osann erlebt. Was wäre Deiner Meinung nach der richtige Weg? Was soll ich anders machen?
herzlichst P.
Bei Schülern sagen wir dem Geigenbauer das Preislimit. Er gibt dann einen Schwung Bögen zu Ausprobieren mit. Von diesen sortiere ich diejenigen aus, die bei entsprechender Technik alles mitmachen und auch gut und frei klingen. Dann lasse ich den Schüler ausprobieren. Immer zwei und er soll dann den besseren mit dem nächsten testen. Oft kristallisieren sich so schnell Favoriten raus. Diese spiele ich dann mit etwas Abstand und der Schüler soll entscheiden welcher Klang ihm am besten gefällt. So haben wir bis jetzt immer einen guten passenden Bogen gefunden.
Bei mir war es so, dass ich jeden Bogen den ich in die Finger bekommen habe ausprobiert habe. Es hat etwa ein Jahr gedauert bis ich dann endlich MEINEN Bogen gefunden hatte. Ich wusste damals allerdings instinktiv ganz genau was ich möchte und hatte auch die Technik um wirklich wählen zu können.
Ich finde, dass die Spieltechnik mit steigendem Können immer individueller wird. Ein Anfänger lernt erstmal die Grundtechniken wie man sie lehrbuchmäßig anwendet. Eigenheiten sind hier noch eindeutige Mängel. Wenn man die Techniken dann beherrscht, dann stellt sich mit der Zeit etwas Individuelles ein. Es sind nur Feinheiten, aber sie entscheiden u.a. darüber mit was für einem Bogen man am besten klarkommt.
Wenn man noch nicht wirklich weiß was man genau braucht, dann würde ich einfach einen soliden guten Bogen kaufen, der zwar alles mitmacht, aber nicht absolute Spitzenklasse ist. Mit ihm dann man dann alles lernen, bis man dann irgendwann so weit ist sich SEINEN Bogen auszusuchen. Das ist jedenfalls der Rat den ich meinen Schülern gebe.
http://www.youtube.com/watch?v=EzrjP6uq1oM
http://www.youtube.com/watch?v=lEvw9281hqM
http://www.youtube.com/watch?v=BnsPnyiLdrw
http://www.youtube.com/watch?v=wEmbFSiJzEQ
Die ersten beiden Aufnahmen sind mit Gil Shaham, die letzten mit Itzhak Perlman. Vergleiche mal ihre Technik... Und stelle Dir einfach mal vor, sie würden Bögen tauschen...
Super Beispiele!
Gil Shaham arbeitet im wahrsten Sinne mit dem ganzen Körper, der Bogen ist dann nur noch das Endglied dazu etwa. Dagegen Itzhak Perlman, mit seiner Bogenhand scheint er dem Bogen geheime Befehle zu geben, die dieser dann scheinbar ganz allein ausführt!
Was sagen die Fachleute, welcher Bogen für wen?
Ich sage mal Perlman spielt den reaktionsfreudigsten, den der einen Anfänger verzweifeln lassen würde, denn bei jedem Minibefehl reagiert der Bogen.
Shaham braucht eher einen, der seinen Kraftangriffen gewachsen ist.... Das ist jetzt aber ganz laienhaft von mir so ausgedrückt...
Nun gleich zuersten Station im März 2014, die Frankfurter Musikmesse. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nah. Dachte ich. Und in der Tat habe ich diesmal alle Bogenbauer in Halle 3.B abgeklappert. Allerdings: es ist halt eine Messe und also – wie andere Messen auch – ein Treffpunkt für Reseller, nicht für Einzelkunden: man redet über Zulieferungsteile oder in Reihe gefertigte Bögen. Hier Individualisten mit Blick auf den Endkunden zu treffen, bleibt die Ausnahme. Das ist natürlich kein Problem. Im Gegenteil: Serienherstellung gehört dazu. Oder anders gewendet: Mein Fehler, wenn ich anderes erwartet hatte. Nochmals werde ich jedenfalls die 30,-- Euro nicht ausgeben. Und wenn ich wieder gefragt würde, wie man sein Instrument findet, würde ich sicher nicht mehr auf die Messe verweisen. Wenigistens hatte ich 3 schöne Begegnungen:
Am Arcusstand habe jetzt auch mal die teuren A8-S9 Bögen ausprobiert (was ohne eigene Geige nicht eben sinnvoll ist). Sie sind schon chique. Nur eben auch richtig richtig richtig teuer. Ich diskutiere gerade offsite mit einem Forianer darüber. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass bei diesem Geld der Effekt auch wirklich in einer Aufnahme hörbar werden sollte, sei es klanglich oder spielerisch. Recht hat er! Wie ich diese Klangprobe systematisch in meinen Findeprozess einbinde, muss ich noch überlegen. Auf jeden Fall bleibe ich diesmal bleibe ich offen. In jede Richtung.
Sodann habe ich Herrn Knoll kennengelernt. Er baut die Bögen selbst. Und hat eine nette Art, seinen eigenen Anspruch an den Bogen zu dokumentieren. Je vollständiger sein Stempel seinen Namen wiedergibt, desto mehr hält er von seinem eigenen Werk. Kein Wunder, dass einer der Mitorgnisatoren der Klangestalten-Messe in Berlin ist. Es gibt keine Zufälle.
Zuletzt habe ich – beim Schnuppern – noch eine echte Perle 'gefunden'. Edgar Russ, ein österreichischer Geigenbauer, der in Cremona lebt, hat nämlich ein Parfüm geschaffen, „a unique fragrance for everybody, man and woman“. Mit dem Wohlgeruch von Violinen. Sein Stand war betörend umwolkt. Und er drückte mir einen seiner Fragance-Papierststreifen in die Hände – ganz, wie bei Douglas. Natürlich dachte ich: Spinner. Nur dass ich diesen Duft das ganze Wochende nicht los wurde - ein echter 'Nasenwurm' sozusagen. Zuletzt hab ihn mir tatsächlich bestellt. Und seit dem gestrigen ESC wissen wir ja, Östereich hat in Sachen Cross Over einiges zu bieten. Ich sage nur: Conchita Wurst
bis die Tage P.
Eigentlich wollte ich als nächstes ja von meinem ‚Richtungs‘-Besuch bei einem Berliner Bogenmacher berichten. Das müssen wir aufschieben. Denn neue ‚Richtungs‘-Impulse hat mir mein Besuch bei meinem Geigenbauer Schleske am letzten Montag gebracht.
Ausgangspunkt war, dass ich seit Monaten unter einem Rauschen meiner Geige leide. Natürlich hatte ich gegengehalten. Mit Luftbefeuchtern. Mit neuen Saiten. Mit einer neuen Bespannung meines Arcus-Carbonbogens. Und mit wenig Erfolg. Also hatte ich mir einen Termin besorgt, mir Urlaub genommen, mich in den Zug gesetzt – und meine neue Geige neu einrichten lassen. Und in der Tat war das offensichtlich notwendig. Den Stimmstock neu positionieren, Steg anpassen. So weit, so gar nicht trivial. Und so hilfreich. Am Ende bin ich mit einer Geige gegangen, die wieder so betörend klingt, wie die, die ich gekauft habe.
Nur das Rauschen ist nicht weg. Und da kommt nun die Geige selbst und der Bogen ins Spiel. Ich hoffe, ich kriege das richtig zusammen:
Geigen haben wie viele Körper eine Eigenfrequenz. Wenn wir Geiger in die F-Löcher blasen, hören wir dieses spezifischen Rauschen unser Geige. Oder wenn wir an den Steg ‚schippen‘ (natürlich nur an die schmale Stirnseite, ;-) ). Diese Eigenfrequenz klingt bei Geigen als ein weißes Rauschen unter dem angestrichenen Ton mit. Dass dem tatsächlich so ist, kann man erkennen / hören, wenn man beim Anblasen des einen F-Lochs das andere zuhält. Sofort wird schwächt sich das Eigengeräusch ab. Es wird aber auch dumpfer.
Und da gibt es nun einen Zusammenhang von ‚Untergrundrauschen‘ und Qualität der Geige. Je resonanzfreudiger sie ist, desto deutlicher reagiert sie auf Klangimpulse. Der Klang unser Geige setzt sich aus Einschwingvorgang und mitklingenden Obertönen (Resonanzen) zusammen. Sie trägt umso besser, je mehr davon beteiligt sind. Schlechte Geigen klingen laut und eindimensional. Gute Geigen ‚silbrig‘ oder ‚golden‘. Geigenbauer können die Sache nun allerdings nur in die eine oder in die andere Richtung drehen: Entweder mehr Resonanzvielfalt, dann auch mehr Reaktion durch Eigenfrequenz, also mehr Untergrundrauschen. Oder weniger Eigenfrequenz und weniger Rauschen, dann aber auch weniger Resonanz und weniger Tragfähigkeit.
Der einfach gestrickte, mitdenkende Laie – wie ich einer bin – schließt natürlich sofort: Also gut, je mehr Rauschen, desto besser die Geige. Pustekuchen. F-Loch-Pustekuchen.
Theoretisch dürfte es dieses Eigengeräusch beim Streichen der Saite nämlich gar nicht geben. Theoretisch. Theoretisch „hakt“ sich beim Streichen der A-Saite nämlich jedes Haar einzeln 443 mal pro Sek fest und lässt genau so oft auch wieder los. Und theoretisch tun das alle Haare gleichzeitig. Weil man beim Streichen ja einheitlich beginnt. Alle Haare fangen gleichzeitig an die Spannung bis zum Los-Lass-Punkt aufzubauen. Nur praktisch stimmt das nicht. Es gibt immer einige Haare, die früher ‚loslassen‘. Sei es durch ungleichmäßig verteilte Kolophonierung, sei es durch verschieden starke Kolophoniumablagerungen auf der Saite, sei es durch eine andere Struktur oder Dicke der ‚vorpreschende‘ Haare als ihre Nachbarn, sei es durch ‚schräg-streichen‘, sei es durch unterschiedliche Übertragung des Drucks. In diesem Moment erzeugen diese ‚irrlaufenden‘ Haare natürlich trotzdem einen akkustischen Impuls. Allerdings wird dieser Impuls der ‚Frühstarter‘ aber nicht in Tonhöhe (Klang) umgesetzt. Denn die anderen Haare halten die klingende Saite ja noch. Stattdessen wird der Impuls in die Geige durchgereicht und von ihr über die Resonanz der Eigenfrequenz nach außen gegeben Von resonanzfreudigen Geigen stärker, von ‚eindimensionalen‘ Geigen weniger.
Glücklicherweise kann diese ‚Rauschanregung‘ aber auch gedämpft werden. Durch die Eigenfrequenz des Bogens.
Und dass nun haben wir an meinem ‚Schätzchen‘ hörbar ausprobiert. Herr Schleske hatte sie mit seinem Fernambukbogen (nicht neu bespannt) und meinem P5-Arcus-Carbon-Bogen (neu bespannt) gespielt. Aus einem Meter Entfernung klang sein Bogen mit meiner Geige deutlich ‚bauchiger‘, ‚satter‘. Mein Bogen dagegen ‚silbriger‘, ‚schwirrender‘, ‚brillianter‘. Allerdings gab es bei seinem Fernambukbogen mit meiner Geige auch weniger Eigenfrequenzrauschen und bei meinem mehr. Mein Bogen brachte die Töne mehr in den Vordergrund, das Rauschen machte sie aber weniger ‚fassbar‘. Sein Bogen fokussierte die Töne meiner Geige, machte sie aber auch etwas ‚entfernter‘.
Da habe ich nun also wirklich erfahren‚ dass der Bogen zur Geige passen muss:
Meinen Arcus-P5er hatte ich zu einer Cunault-Geige von 1895 gekauft. Ein sehr schönes Stück. Und ganz sicher keine ‚asiatischer Billig Import‘. Aber eben eher direkt klingend, straight forward, ohne größere ‚Silberanteile‘ im Klangspektrum. Also auch mit weniger Eigenfrequenzrauschen. Natürlich passt der P5er, den ich genau für sie gekauft habe, nach diesen Erklärungen sehr gut für diese Cunaultgeige: Er hebt weniger starke Obertonfrequenzen hervor, bringt die Töne nach vorne. Und da das Rauschen eh nicht so groß ist, kann er auch nicht so viel davon verstärken.
Er passt nur nicht unbedingt für meine Schleskegeige. Vor meinem Besuch war das eine ‚theoretische Erkenntnis‘. Jetzt ist sie praktisch unterfüttert. Denn diese Geige bringt ja von sich aus schon eine ‚irre‘ Resonanzfreude mit sich. Also auch eine größere Bereitschaft zum ‚Untergrundrauschen‘. Folglich werde ich einen Bogen suchen müssen, der ihre Stärken auslebt und die Schwächen ’dämpft‘.
Langer Rede kurzer Sinn: Ich weiß jetzt mehr und besser, worauf ich beim Kauf eines neuen passenden Bogens achten muss. Ich habe einen ‚Benchmark‘. Er muss besser mit ihr klarkommen, als mein jetziger P5-Bogen. Und ich weiß, dass es keine bloße Rederei ist, wenn die Fachleute hier sagen, der Bogen müsse zur Geige passen.
Allerdings muss er auch zu meiner Spielweise passen: Wenn ich schräg über die Saiten schrabbe, wird die Anzahl der ‚Frühstartenden Bogenhaare‘ natürlich erhöht, ergo auch das Rauschen – schlimmstenfalls Kratzen. Meine Art des Spiccatos beeinflusst sie ebenfalls. Also muss der Bogen auch zu mir passen – was auch ganz tröstlich ist.
Danke für den ausführlichen Bericht mir den gut verständlichen Erklärungen!
Die von Dir beschriebenen Phänomene habe ich alle schon beobachtet, konnte sie mir aber nicht erklären. Meine Geige "rauscht" mit meinem besseren Bogen auch mehr, klingt aber auf die Entfernung deutlich besser als z.B. mit einem Bogen von einem meiner Schüler... Allerdings ist bei mir bogenmäßig die Obergrenze noch nicht erreicht... vielleicht würde das Rauschen dann unerträglich...
Der Thread ist zwar schon alt aber offensichtlich noch warm, also schreib ich auch noch was rein ...
Da hast Du Dir einen ganzen Haufen Arbeit gemacht beim Bogentesten. Ich habe nicht vor, das nachzumachen, bin ja auch Kontrabassist und Teilzeitstreicher. Was ich voll unterschreiben kann: Die Arcus-Bögen sind ebenso Einzelstücke wie Holzbögen, die Grundannahme "teurer=besser" bedarf einer Überprüfung mit Hilfe der eigenen Ohren und Hände.
Die Physik-bezogenen Aspekte Deines Beitrags rufen allerdings den Klugscheisser in mir auf den Plan, denn hier ist einiges durcheinandergeraten. Herr Schleske ist ein Geigenbauer, der sich sehr für die physikalischen Grundlagen des Geigenklanges interessiert, wie schon ein Besuch seines Webauftrittes zeigt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er Dir das mit dem "Grundrauschen" so erzählt hat.
Wenn Du auf die F-Loch-Kante Deiner Geige bläst, erzeugst Du ein Geräusch mit einer wahrnehmbaren Tonhöhe. Dies ist die Resonanzfrequenz des im Geigencorpus eingeschlossenen Luftvolumens, die sog. Helmholtz-Resonanz. Das ist das tiefste Maximum im Klangspektrum der Geige (Spektrum? äh,... später), der Ton, den man bekommt, wenn man auf einer Bier-(Wein-, ...)flasche bläst. Bei diesem Experiment gehört es also dazu, dass Du das zweite F-Loch abdeckst. Lässt Du es offen, bekommst Du einen höheren Ton, weil Du wie bei einer offenen (im Gegensatz zur gedackten) Orgelpfeife die Randbedingung der stehenden Welle im Corpus änderst. Dies hat allerdings mit Rauschen nicht direkt etwas zu tun. Das kommt durch die Verwirbelung des Luftstroms an den F-Loch-Kanten zustande, die ziemlich stark sind, weil ein F-Loch nun mal nicht als Mundstück einer Flöte konstruiert worden ist.
Ganz kurz zur Akustik: Es gibt (reine Sinus-) Töne, die genau eine Frequenz haben (Das Spektrum ist ein Strich), aus vielen Tönen zusammengesetzte (harmonische) "Klänge" mit wahrnehmbarer Tonhöhe, wobei die Teiltöne feste Frequenzabstände haben - dazwischen ist im idealen/vereinfachten theoretischen Fall nichts - und Geräusche, die ein kontinuierliches Frequenzspektrum haben, also keine bestimmte Tonhöhe.
Der Geigenklang besteht aus harmonischen und nicht harmonischen Anteilen, zu letzteren gehört auch das Bogenrauschen, das Dich so stört. Die Saite gleitet nicht reibungsfrei unter den Bogenhaaren durch, das "Einfangen" durch die Bogenhaare passiert wohl auch nicht so, wie die Theorie es gerne hätte, ich stelle es mir wie eine Notbremsung vor, bei der die Reifen quietschen. Die Geigensaite führt nicht nur transversale, sondern auch Torsionsschwingugnen aus. Die laufen mit einer anderen Geschwindigkeit über die Saite als die transversalen, die den Grundton bestimmen. Das Rauschen würde ich also in der Wechselwirkung zwischen Saite und Bogenhaaren lokalisieren. Dass es sich in den Geigenklang mischt, also vom Corpus mit verstärkt wird, liegt nicht an der Helmholtz-Resonanz, sondern an der Fähigkeit des Corpus, viele verschiedene - auch höhere - Frequenzen abzustrahlen.
Dafür, dass die Arcus-Bögen weniger Rauschen produzieren, habe ich auch eine Verschwörungstheorie: die Stange ist leichter (kleineres Trägheitsmoment), aber steifer, (höhere Resonanzfrequenz) und damit hält sie die Haare (im Millisekunden-Bereich) gleichmässiger unter Spannung als eine Holzstange. Der Einfang- und Abreisspunkt ist stabiler, die Periodizität der Saitenschwingung genauer.
Und nun der nächste Bericht vom vorherigen Schritt: Anfang Mai war ich beruflich auf dem Linuxtag in Berlin. Und da habe ich zwischendrin meinen ersten Besuch bei einem Bogenbauer eingeschoben. Bei Herrn Matthias Wohlleber in der Fuggerstraße 4. Eine Internetpräsenz hat er nicht. Es dauerte eine kleine Weile, bis wir miteinander warm geworden waren. Meine naive Frage, er möge mir doch bitte mal seinen besten modernen selbstgemachten Bogen zeigen, hat ihn erkennbar seine Strin runzeln lassen. Zu Recht - wie ich jetzt weiß. Denn dann sind wir ins gute Gespräch gekommen. Und er hat mir eine Reihe von Botschaften mit auf den Weg zu meinem besten Bogen gegeben:
- Der Bogen sei persönlicher als die Geige, er sei die Fortsetzung des Arms. Deswegen könne man auch nicht/schlecht von dem besten Bogen in einem Geschäft sprechen.
- Es sei unabdingbar, dass man mehrfach verschiedene Bögen ausprobiere und sich schrittweise seinem Klang- und Spielideal annähere. Wenn er seine Bögen 5 Spielern vorläge, erhalte er vier Meinungen.
- Man müsse grundsätzlich entscheiden, ob man einen grundtönigen oder einen obertönigen Bogen wolle. Und das müsste einen hörbaren Unterschied machen, auch entfernter vom Ohr.
- Die runden Bogen haben nur aus historischen Gründen ein billigeres Image: schlicht weil das Hobeln runder Bögen einfacher sei. Klanglich mache die Form selbst keinen Unterschied.
- Achteckige Bögen seien zumindest theoretisch etwas steifer. Aber nur theoretisch. (Wirklich steifer seien die Carbonbögen, besonders die von Arcus). Der Zweck der eckigen Form liege darin, mehr Gewicht ästhetisch verstecken zu können.
- Das Gewicht der Bögen solle nicht über 62g liegen. Schwerere wolle er nicht in seinem Laden anbieten. Die könne man nur benutzen, wenn den schweren russischen Spielstil pflege.
- Ein Vorteil der Holzbögen sei der größer Gestaltungsspielraum, die Möglichkeit, den Ton zu kneten.
- Er selbst baue durchaus eigene Bögen (er hatte gerade einen Bratschenbogen in Arbeit), aber er biete auch viele andere Meisterbögen an. Dadurch sei die Auswahl größer; gerade weil das so eine persönliche Sache/Wahl sein müsse. Die obere Klasse der Bögen bei ihm läge zwischen 2000 und 4000 Euro (schon ein Unterschied zu den Arcus-Klassenpreisen)
- Er selbst würde mir, bevor ich zu einem anderen ginge, natürlich sofort einen Bogen verkaufen. Aber eigentlich müsse ich das Hören der Bögen erst noch lernen. Und er sei gerne bereit, diesen Prozess in mehreren Runden zu begleiten.
Und genau das Angebot werde ich dankbar annehmen. Ende Juni bin ich wieder in Berlin, auf dem BitKom Open Source Forum. Und da werde den Beginn einschieben, einen Grob-Test vorort, den Feintest über den postalischen Austausch. Die Karte mit der ich mich bei ihm verbindlich anmelde, geht Montag raus: denn bei ihm ist Mail ja noch Mail.
P.
Hast Du schon einmal einen Bogen der absoluten Oberklasse getestet? Da könnte es sein, dass es Dir wie bei der Geige geht - Du bist so begeistert, dass Du nichts anderes mehr haben möchtest... (Und mit Oberklasse meine ich nicht +-4.000, sondern deutlich drüber...)
Ich selber habe auch nie geglaubt dass diese Spitzenpreise berechtigt sind, bis ich mal einen Bogen gespielt habe... Leider war er so teuer, dass ich es dann doch unverhältnissmäßig für mich fand.
Leider (noch) nicht, liebe Sofie. Und mein Problem ist - ehrlich gesagt - nach wie vor, dass ich selbst kein wirkliches Bild davon habe, was ein Bogen der Oberklasse ist resp. auszeichnet. Ich habe ein einziges Buch zu dem Thema gefunden. Es ist nett. Mehr aber auch nicht. (Und Du weißt ja, was das Schlimmste ist, was Frauen über Männer sagen können: nett. So ist das fast auch bei Büchern.)
Es gibt also da diese Fülle von Aussagen: Der Bogen müsse zu Dir und der Geige passen. Den besten Bogen im Geschäft gäbe es nicht. Was die Sache sehr sehr subjektiv macht. Andererseits: Herr Schleske hatte letzten Montag erzählt, es sei einmal ein Kunde mit zwei echten Tourtebögen zu ihm gekommen. Und die seien einfach eine andere Liga. Man spiele wie auf Schienen und habe auf jeder Spur eine neue Klangfarbe. Er selbst sei froh, dass er so einen Bogen nicht nutze. Er würde dann viel zu viel von seinen eigenen Geigen halte, obwohl der Bogen es bringe. Sicher überspitzt formuliert, aber trotzdem. Also kann es doch nicht so subjektiv sein.
Was ich nach wie vor nicht möchte, ist, für einen 'alten Namen' zahlen. Es will mir nicht in den Kopf, warum frühere Bogenmacher so unvergleichlich bessere Bögen gebaut haben sollen. Deshalb suche ich auch hier eigentlich eine (Neu)Anfertigung (jüngeren Datums). Es will mir aber auch nicht in den Kopf, wie diese komische Regel zustande gekommen ist, man müsse für den Bogen mindesten 1/3 des Geigenpreises ausgeben. (Hab leider nicht mehr gefunden, wo ich das gelesen habe). [Wenn wir den durchnittlichen Preis einer Meistergeige von 15K nehmen, wie er sich mir letztes Jahr dargestellt hat, dann lägen wir nach dieser Regel mit dem Bogen angemessener Weise bei 5K. Weshalb ich die 2-4K von Herrn Wohlleber nicht so abwegig fand. Nur was begründet diese Regel? Keine Ahnung]
Ich hoffe, dass ich am Ende der Suche genau sagen kann, wann ein Bogen zur Bundesliga gehört, wann er Oberliga ist, und wann Kreisklasse. Ich möchte angeben können, warum mein Bogen aus der Bundes- oder der Oberliga der für mich beste ist. Objektiv. Und ja, letztlich möchte ich ihm begegnen und wissen, er ist es. Wohl wissend, dass die Europaliga dabei für mich preislich nicht in Frage kommt. Ich kann mir keine Stradivari leisten. Und wenn ich es könnte, wollte ich es nicht. Ich habe etwas sehr gutes modernes gefunden. Was mich immer noch prickeln lässt [aktuell: Sitt, Doppelgriffe auf Untertonmelodie getrimmt]. Das geht mit meiner Cunault-Geige nur sehr bedingt.] Und so soll es auch hier werden.
Auch wenn ich im Moment wirklich schwimme ...
P.
Der nächste Schritt in Sachen 'neuer Bogen' ist nun getan: Ich bin verwirrt, als nie zuvor.
Letzten Mittwoch war ich wieder beim Bogenbauer Wohlleber in Berlin und durfte über Nacht vier Bögen ausprobieren. Wiederum freundliche, kompetente Gerspräche und Betreuung. Und wieder war seine eindeutige Botschaft an mich: Es gäbe keine Regeln, keine Systematik. Bögen, das sei etwas ganz persönliches. Anything goes. Und verglichen mit einem Arcus Bogen, seien alle Holzbögen eher grundtönig. Von den vieren hätte es also jeder sein können.
Mit dabei waren ein Paesold- und ein Steinel-Bogen von 1980+x und ein Rau- und ein Miguel-Bogen von 1910+x: Drei deutsche also, und ein französischer. Herr Wohlleber hatte sie mir dankenswerterweise vorab charakterisiert: Für den Steinel und der Paesold gäbe er mir den Begriff 'Bügeleisen' mit, für den Rau 'leichtfüßig' und den Miguel müsse man laufen lassen.
Tatsächlich ließen die 'Bügeleisenbögen' meine Geige eher platt klingt. Was da Ursache war und was Wirkung ist letztlich unklar. Habe ich etwas gehört, was zur Beschreibung passt? Oder habe ich es - Self-Filling-Prophecy sei dank - heraus- bzw. hineingehört? Richtig ist allerdings auch: zuhause habe ich einen eigenen Paesold. Und mit der Beschreibung 'Bügeleisen' und 'geplettet' finde ich die Mängel, die ich dort empfinde, gut erfasst. Der Rau und der Miguel Bogen 'machten' mein Geige farbiger. Nur dass mit dem Rau das Spiccato überhaupt nicht ging und dass ich den Miguel habe (noch) nicht laufen lassen können. Nun, sie sind es also alle vier nicht. Aber ich bekomme noch weitere 4 zugeschickt. So gesehen, geht es also weiter.
Insgesamt hat mich das aber verunsichert. Was ich bis heute nicht verstanden habe bei den Bögen ist dies: wenn es keine Regeln gibt, also kein gut oder schlecht (für x,y,z), warum dann diese Preisunterschiede? Oder anders gewendet: wenn ich bis zu 4000,- ausgeben möchte, warum soll ich das auch tun? Warum werden mir nur Bögen zwischen 4K und 5K angeboten, warum nicht auch solche für 1K oder 2K? Und was ist so 'abwegig' an der Idee, sich auf den Bogenneubau zu fokussieren? Oder wieder anders gewendet: wenn es keine Objektivität gibt, warum sind dann bestimmte 'alte' Bögen den neuen so überlegen? Fragen über Fragen ...
Unglücklicherweise habe ich nun auch noch meinen 'Notanker' verloren: Die Klangestaltenmesse präsentiert Violinen und Violinbögen erst am Sonntag den 26.10. Und der letzte Oktobersonntag ist mir heilig: Frankfurtmarathon. Ergo werde ich nicht in Berlin dabei sein. Was also tun? Die Bogenneubauer direkt anschreiben? Wo sind sie? Einfach die (alten) Klanggestaltenlisten abarbeiten? Die Idee des 'neuen' Bogens ganz aufgeben? Nur noch Geigenbauen auf Zufall abklappern? Ganz aufgeben und alles dem Zufall überlassen?
Klingt dies alles wirr? Nun, dann ist es wenigstens authentisch ...
P.
So könnte es doch noch klappen! Nachdem ich mich in den vergangenen Wochen bei meiner Bogensuche stetig verunsichert sah, habe ich jetzt doch noch festen Boden unter den Füßen bekommen. Mein Problem war ja, dass es - so kompetente Bogenbauer - keine objektiven auf das Musizieren bezogenen Qualitätskriterien gäbe: Alles sei persönlich. Der beste Bogen sei der, der am besten zu mir passe. Grrr. So was hilft nur bedingt.
Doch wie heißt es so schön? It’s not a bug, it’s a feature!
Also habe ich mir eine ganz auf den Spieler bezogene ‘Bogenevanluationsstrategie’ konzipiert: Es gibt verschiedene Stricharten. Bei denen sollte der neue Bogen mir mehr helfen, als der alte. Und zwar in Sachen Klang und Technik. Zudem habe ich bestimmte ‚Härtestellen‘ in meiner Geigenliteratur. Die sollte mir ein neuer Bogen ‚weniger hart‘ machen. Ferner müsste ein neuer Bogen die Eigenresonanz meiner Geige besser unterstützen, und zwar hinsichtlich Dämpfung von Hintergrundrauschen, Klarheit und Brillanz des Kerntons, und Tragfähigkeit in großen Säalen. Und schließlich sollte ich ganz unreflektiert einen stärkeren Wohlfühlfaktor erleben.
Was nach Festlegung dieser Bewertungsdimensionen noch fehlte, war eine Objektivierung des Bemessungsraums. Hört sich kompliziert an. War letztlich aber einfach. Denn ich habe ja schon einen Bogen. Es wird also auch bessere oder schlechtere geben. Also könnte ich doch – so der Gedanke – alle Bögen bzgl. aller Dimensionen auf einer Skala von 1 – 7 bewerten. Und ich könnte meinen besten Bogen als Mittellinie nehmen, also sein Ergebnis einfach bei allen Dimensionen auf den Wert 4 setzen. Und so könnte ich bei jedem Test simpel fragen, ob der neue Bogen diesbzgl. ‚etwas besser/schlechter‘ [5/3], sehr viel besser/schlechter [6/2], oder gar ‚herausragend viel besser/schlechter‘ [7/1] ist als mein eigener Bezugsbogen.
Der Rest war Handwerk. Eine einfache Excel [bzw. bei mir: Libre Office] Tabellenkalkulationsdatei zur Aufnahme der Einzeltests war schnell geschrieben, die Durchschnitte der Resultate schnell gebildet und ein erster Gegencheck mit meinem schlechten Uralt-Bogen brachte das passende Ergebnis: alles schlechte 1en.
Und dann habe ich die drei bisher dankenswerterweise zwecks Probieren mir zugeschickten Bögen damit systematisch getestet. In Ruhe. Pro Tag eine Dimension. Das numerische Ergebnis hat fassbar gemacht, was mein Gefühl vom ersten Tag signalisiert hat: ‚So groß ist der Unterschied aber nicht‘:
Genau. Die drei erreichen einen Gesamt wert von 3,7, 4,4 und 4,4. Und darum werde ich keinen dieser Bögen nehmen, so gut sie auch für andere sein mögen. Wenn ich schon nochmal mehr als 2000 Euro +x ausgeben soll, dann möchte ich auch eine klare messbare Verbesserung haben, am besten eine Steigerung auf eine 6, mindesten aber im Durchschnitt eine klare Steigerung auf 5.
Interessant bei meinem Test war aber auch, dass im Mittel der Klang meiner Geige von diesen Holzbögen besser unterstützt wird, als von meinem Carbonbogen. Nur darf ich nicht vergessen: meinen Arcus-Carbonbogen hatte ich für meine ganz anders geartete Cunault-Geige gekauft. Und die beiden harmonieren wirklich – wie ich letztes Wochenende bei einem Open-Air-Orchesterkonzert nochmals festgestellt habe. Ich tue also gut daran, auch anderen (Arcus-) Carbonbögen noch zu evaluieren. Das Instrumentarium zum Vergleich habe ich ja jetzt.
Nur eins hat sich über die Tage rein gefühlsmäßig herauskristallisiert, ganz unabhängig vom Test: ich will – wie bei meiner Geige – einen modern Bogen. Aus diesem Jahrtausend.
Vielleicht fragt sich der eine oder die andere, ob er meine Vorarbeit nicht auch nutzen könnte. Dazu dies: wie es sich für mich als Open Sourceler gehört, habe ich das Evaluationsdokument unter der CC-BY-SA-Lizenz freigegeben: jeder von Euch darf es sich nehmen, verändern, benutzen, und (verändert) weitergeben, sofern er das auch unter derselben Lizenz tut [share-alike] und sofern er uns als Autoren nennt [es nicht als sein Werk ausgibt]. Mehr noch: jeder von Euch darf das auch in professionellem und kommerziellem Rahmen tun, ohne dass weiter Lizenzbedingungen oder -gebühren anfielen. Ich lege das Template und meine Version als PDF gerne bei:
Also in Anlehnung an RMS: Happy (Bow) Testing.
Liebe Sofie;
bis jetzt noch nicht. Herr Wohlleber hatte mir zum 'Check' mal einen für 18.000 hingelegt. Aber das war in seinen Verkaufsräumen, wo auch gerade Berliner Philharmoniker verkehrten. Nicht gerade Umstände also, bei denen ich hätte 'frei' testen können ;-) - weshalb ich es schlicht gelassen habe. Meine Preisvorstellung von 2-4K ist durch einen Vergleich (Internet / Klanggestalten 2013) entstanden: Neubauten von meisterbögen aus 2013/14 - allerdings ohne Goldauflagen und Diamantspitzen - kosten in etwa so viel. Hier liegt also der heutige Preis, zu denen ein Bogenbauer sehr gute Arbeit liefern kann, und zwar aus eigener Sichtweise.
Da ich dieses Jahr nicht nach Berlin kann, habe ich gerade mal Herrn Pfau und Herrn Knoll angeschrieben. Und ich werde auch noch Geigenbauer in Frakfurt besuchen. Wenn mir da so ein Extrastück unter die Hände kommt, werde ich es extra für Dich testen!
Betse Grüße P.
Nein, da hast Du mich falsch verstanden. Du sollst den Bogen nicht extra für mich testen. Mich würde nur Deine Meinung dazu interessieren. ;)
Ich habe schon ein paar Mal solch einen Superbogen spielen können und das Spielgefühl hat mich jedes Mal fast umgehauen. Besonders beeindruckend war bei einem Lamy Bogen das Gefühl, dass er schwer auf der Saite liegt und wie auf Schienen fährt, dabei aber gleichzeitig wirklich alles mitmacht. Das Ganze bei einem sehr guten Klang... Ein Traum also.
Wäre da nicht die Preisfrage, ich würde mir sofort solch einen Bogen zulegen. Es ist aber wirklich so, dass er eben nicht um das x-fache besser ist als ein sehr guter anderer Bogen. Zehnmal so teuer heißt leider nicht zehnmal so gut... Trotzdem wäre das wohl der Bereich, in dem ich wenn überhaupt noch "updaten" würde. Und Du hast ja DEIN E Geige inzwischen auch gefunden...
Liebe Sofie;
en hinter Deiner Frage stehenden Gedanken hatte ich in de Tat nicht erfasst. Jetzt jedenfalls habe ich mir für den nächsten Samstag einen Testermin beim Frankfurter Geigenbauer Benjamin Schröder organisiert. Und ich habe den Termin mit den Worten erbeten, dass meine Geigenlehrerin mir Herrn Schröder empfohlen habe und dass meine 'Internet-Violin-Coach-ette' (Achtung: neuer Titel für Deine Visitenkarten ;-) ) mir geraten habe, doch auch mal einen exorbitanten Bogen zu spielen, auch wenn er preislich gar nicht in Frage käme - einfach, um auch mal ein Gefühl für die Liga ganz oben zu bekommen und nicht nur die Distanz nach unten zu messen. Hat geklappt - was dabei rauskommt berichte ich noch.
Diese Herangehensweise, liebe Sofie, finde ich jedenfalls sehr pfiffig. Besten Dank!
P.
Liebe Forianer: zwei Erfahrungsfragen in Sachen neuer Bogen:
a) Hat jemand Erfahrungen mit den Bögen von Herrn Dirr, vielleicht sogar mit dem Modell Avantgard?
b) Hat jemand von Euch sich schon einmal bewusst den Bogen nach Lage des Schwerpunkts ausgsucht? Weiß jemand, wie man so etwas am cleversten angeht?
herzlichen Dank für die Antworten im Voraus, P.
Gestern hatte ich den nächsten Testtermin beim Geigenbauer Benjamin Schröder in Frankfurt. Frau Schröder legte mir 9 Bögen vor, von bekannten Bogenbauern wie Hill, Gabriel oder Grünke bis zu unbekannteren, im Spektrum von 1350€ bis 5400€. Sie habe sich gut vorbereitet, sagte sie, und, wie man an meiner Testtabelle sehen können, ich ja auch. Allerdings würde ein richtiger Musiker das natürlich per Gefühl entscheiden, fügte sie hinzu. --- ??? ---
Das Testen passte zum Einstieg. Je mehr ich probierte, desto besser gefiel mir mein bisheriger Bogen. Schließlich fokussierte ich mich auf die drei 'passendsten', einen von Richard Grünke (1900€), einen von E. M. Penzel (1860€), einen von J. Gabriel (1950€). Und trotzdem blieb es wieder 'durchschnittlichen Vergleichswerten' von 4.0 bis 4.3. Kein Entzücken also, weder faktisch, noch emotional.
Interessant auch, dass der Hill-Bogen für 5400,-- bei mir als einer der am wenigsten passendsten rangierte. Kein Wunder, so Frau Schröder, Bogen hingen von soviel persönlich Faktoren ab, vom Muskeltonus, vom Körperbau, von der Spieltechnik. Lasse sie denselben Bogen auf derselben Geige mit demselben Stück von zwei Spielern ausprobieren, habe sie garantiert vier Meinungen – je nach Tagesform eine. So logisch das klingt, diese Volatilität stört mich immer noch …
Deshalb starte ich direkt meinen nächsten Versuch – den Ratschlag von Sofie im Kopf: Ob sie mir doch bitte den Bogen aus ihrem Sortiment zeigen könne, dem kein Geiger widerstehen könne, ganz egal wie teuer. Den gäbe es nicht, antworte Frau Schröder. Und wenn sie ihn hätte, gäbe sie ihn mir nicht. --- ??? – Na ja, den wolle dann ja eben jeder haben. --- ??? --- Aber sie hätte da noch eine andere Idee. Und legte mir drei weiter Bögen vor, einen von Mathias Thomas aus der Paesold Werkstatt von 1980+-x (2950€), einen aus der Knopf Schule von 1920 ( 1500€) und einen von Louis Thomassin (8000€). Hier hatte ich nun wirklich das Gefühl, dass alle drei mindestens so gut waren, wie mein Arcus-Bogen, in vieler Hinsicht sogar besser. Nur blieb es im Durchschnitt doch wieder nur bei Vergleichswerten zwischen 4,3 bis 4,8. Und für 8000€ will ich einfach mehr. Ach was, ich will überhaupt mehr, auch schon bei 1000€.
Allerdings war deutlich zu merken, dass diese letzten drei eher in meine Richtung gingen. Also habe ich Frau Schröder gefragt, anhand welcher Kriterien sie diese denn ausgesucht habe. Nun, meinte sie, mir läge offensichtlich eine eher feste, aber nicht so klobige Stange mehr. --- ??? --- Nun, sie meinte wohl gewichtig. Und das wären dann ja genau die Merkmale von Arcus-Bögen.
Irgendwie habe ich mich im Kreis gedreht - so dankbar ich für diese Testmöglichkeit auch bin.
Aber das Leben ist noch nicht vorbei! Kürzlich hat mir jemand vorgeschlagen, doch einfach mal die 'günstigeren' aus dem Vogtland anzusehen. Die seien vielleichtnicht wegen der Qualität günstig, sondern wegen der günstigeren Lebenshaltungskosten. Auch eine Überlegung! Außerdem haben Herr Pfau und Herr Knoll haben mir beide geschrieben, dass ich die Violinbögen auf der Klanggestaltenmesse sehr wohl auch am Freitag ausprobieren könne, nicht nur am Sonntag bei der Violinanspielprobe. Damit steht mir der Berlinbesuch wieder offen. Und in der kommenden Woche erwarte ich die besseren Bögen von Arcus und die Bögen von Herrn Dirr. Sein Modell Avantgarde fasziniert mich wirklich. Würde doch passen: eine moderne Geige mit einem modernen Bogen – beides erkennbar neu und stylisch. Nur sollte der Passt-Zu-Mir-Wert deutlich über 5 liegen. Eher bei 6. Denn wenn schon kein richtiger Musiker, dann wenigstens konsequenter Testtabellentester.
Auf bald P.
'Läbe gähd weida' - so oder ähnlich endete meine letzte Nachricht. Das Pfeifen im Wald hat sich gelohnt. Denn seit Dienstag der vergangenen Woche gibt es deutliche Lichtblicke. Zum einen haben mich vier neue Carbonbögen von Arcus erreicht, ein A6, ein A7, ein M7 und ein P7. Und zum anderen hat Herr Dirr mir vier Bögen zugeschickt, einen 'traditionellen und drei 'avantgardistische', einen mit stylischem Elfenbeinfrosch, einen mit Ebenholz und Elfenbein-Strich-Einlagen und einen mit Bernsteineinlagen und gelblicher Umwicklung. Und das alles auf bloße Mails hin. Das nenne ich Service!
Das nächste Gute daran war: der erste Eindruck trägt doch! Alle acht Bögen haben - verglichen mit meinem eigenen Arcus-P4-Bogen - bei der anfänglichen 'Gefühlswertung' genauso deutlich besser abgeschnitten, wie beim Abschlusstest. Und endlich gab es zwei Bögen, die im Gesamtvergleich klar über 5 lagen, also auch bei den meisten Einzeltests deutlich besser abgeschnitten haben. Gemeint ist der A7 Bogen von Arcus und der Bernsteinbogen von Herrn Dirr. Und den hat auch meine Geigenlehrerin 'geadelt': der habe wirklich was, meinte sie.
Tja - und dennoch nehme ich keinen von ihnen:
Bei den Arcus Bögen ist nämlich etwas Merkwürdiges passiert. Über mehrere Tage hinweg hat mich je ganz zu Anfang der A6er fasziniert. So etwas leichtes. Nur klanglich hat es nicht getragen. Schließlich habe ich die Bögen gewogen. Wiegen sollen beide laut Plan 47g. Der A6 wog aber 46g, der A7 49g. Das ist natürlich kein Fehler. Herr Müsing von Arcus hatte schon mehrfach betont, dass auch die Bögen einer Reihe unterschiedlich ausfallen und dass man mehrere derselben Klassen probieren solle. Ich hoffe also auf einen zukünftigen A7er mit dem Eingangscharme des diesmaligen A6er. Neue Testversionen sind mir schon avisiert.
Bei dem Bernstein-Bogen von Herrn Dirr bin ich dann aber (fast) schwach geworden. So etwas edles, so lebendig und ruhig zugleich, so lauffreudig und gleichzeitig so springfreudig. Ärgerlicherweise ist gelb überhaupt nicht mein Ding. Und glücklicherweise hat mich meine häusliche Ästhetikinstanz in diesem ablehnenden Urteil bestätigt. Natürlich habe ich mich gefragt, warum der Elfenbeinbogen - trotz aller ästhetischen Rafinesse - spielerisch nicht so gut zu mir gepasst hat. Beide Bögen wogen 61g bei einer Länge von 75 cm. Nur lag der Schwerpunkt beim Bernsteinbogen bei 26,5cm (vom Beinchenende ausgemessen), beim Elfenbeinbogen dagegen bei 25,4. Ich verstehe das so, dass der Frosch beim Elfenbeinbogen schwerer war, als beim Bernsteinbogen, sodass der Gleichgewichtspunkt beim Bernsteinbogen eher mittig liegt. Langer Rede kurzer Sinn: eigentlich wünsche ich mir einen Elfenbeinbogen (zertifiziert natürlich) mit den Laufeigenschaften des Bernsteinbogens.
Auf's ganze gesehen war dieser Test also eine Erlösung: Vier Bögen hätten es werden können. Ich weiß nun, dass auch ein besserer P7-Bogen nicht besser passt, als mein P4er. Es ist also der 'falsche' Typ. Ich weiß, dass es - wenn, überhaupt - wohl ein A7er von Arcus wird. Und ich habe ein neues Klang- und Spielgefühl. Welcher Bogen es auch immer wird, er muss mindestens so gut sein, wie der Bernsteinbogen. Vielleicht kann Herr Dirr mir ja so einen bauen. Der Zielwert ist jedenfalls gesetzt. Unter 5,6 tue ich es nicht.
Und das Beste kommt zum Schluss: iin Zukunft werde ich die Spielqualität des Bernsteinbogens wiedererkennen, auch rein nach Gefühl. Da bin ich mir sicher. Vielleicht werde ich ja doch noch ein richtiger Musiker...
Es ist entschieden. Rational und emotional! Und gekommen ist es doch anders, als erwartet:
Die letzten Holz- und Carbonbögen hatte ich ja zurückgesandt. Obwohl je einer von Ihnen es hätte werden können, wenn da nicht dies oder das noch wäre, sei es das Design, sei es das Feeling. Beide Hersteller haben auf meine Absage sehr gut reagiert. Herr Dirr meinte, er wisse jetzt eher, was in Frage käme und er werde mir nach seiner Messe gleich neue schöne Stücke schicken. So mag ich das! Ähnlich Herr Müsing von Arcus: Er rief mich noch am selben Tag nach Eingang meines Paketes an. Und das Ergebnis dieses Gesprächs war, dass er mir nocheinmal 3 Carbonbögen zugesandt hat. Nur eben auf seinen Rat hin nicht nur andere A7er, sondern auch einen runden und einen eckigen S7er - ein Typ, den ich bisher beiseite gelassen hatte.
Diese Beratung war Gold wert!
Der runde S7er hat es mir vom ersten Strich an angetan. Offensichtlich sind die runden Carbon-Bögend er Firma Arcus etwas 'weicher' (geworden) und bieten - jedenfalls mir - mehr Gestaltungsspielraum. Der oktagone S7er war klanglich ähnlich wie der runde, mir nur spieltechnisch zu einlinig. Der runde A7 war spieltechnisch ähnlich flexibel wie der runde S7, nur hat er meine Geige zu plakativ nach vorne geholt. Der runde S7er dagegen: eine wahre Wonne! Er erlaubt mir, die Töne zu kneten. Und er präsentiert den golden Klang meiner Geige.
Subjektiv? Sicher. Und doch wieder auch nicht. Denn ich habe mir gleich am ersten Tag auch die Reaktion meiner Frau abgeholt. Schnell mal eben so. Zwischen Tür und Angel. Ganz unreflektiert. Ihre Mimik war unmittelbar und eindeutig - ohne dass ich vorher irgendetwas zu den Bögen gesagt hätte: Eine klares WWOOOWW beim Vergleich meines P5er mit dem runden S7er. Ein brrr beim Hören des A7er - zu dick, zu platt. Ein NaJa beim eckigen S7er. Und das ein klares Fazit: der runde S78er, das klinge reich, so vielschichtig, auch wenn all die andere deutlich besser klängen, als mein alter P5er (der ja für eine andere Geige (aus)gesucht war)
Natürlich bin ich mannhaft geblieben. Also stur. Heißt: ich habe ich Programm trotzdem durchgezogen. Ich wollte einen Bogen, der auf einer Skala von 1 - 7 im Durchschnitt mindestens so gut abschneidet, wie der beste letzte. Mehr noch: "der Passt-Zu-Mir-Wert sollte deutlich über 5 liegen. Eher bei 6". Bingo. Mein runder S7er liegt im Durchschnitt genau da, hat den besten Wert aller getesten Bogen überhaupt erreicht. Und bei vielen Einzeltests in Sachen Spieltechnik sogar eine 7:
Nun nehme ich also - entgegen aller Erwartung - doch wieder einen Carbonbogen von Arcus. Und ich nehme einen Typ, den ich vorher ausgeschlossen hatte. Mein Test bietet da ein eindeutiges Ergebnis. Nur bleiben wir - bei aller Begeisterung für ausgefeiltete Evaluationen - auch ehrlich: Im Moment, wo ich den runden S7er angespielt habe, wusste ich: das ist er. So ein Aha-Erlebnis wünsche ich jedem.
Oder anders gesagt: Es ist wie immer im Leben. Letztlich ist das Richtige einfach; die Mitte fühlt sich leicht an.
P.
peerceval, wieder mal sehr interessant dein beitrag! ich bin auch seit einiger zeit am überlegen, mir einen viel besseren bogen zu kaufen, aber ich bin mir da noch nicht sicher, vorallem was carbonbögen betrifft. mein geigenlehrer besitzt mehrere bögen, die alle zwischen 800-5000 euro liegen und als im letztens sein lieblingsbogen (5000 euro) zu boden gefallen ist und in folge die spitze gebrochen ist, hat er sich nach carbonbögen umgesehen; weil er eben viel auf reisen und unterwegs spielt. mittlerweile besitzt er 2 carbonbögen und ist restlos begeistert. ich weiß noch nicht, mal sehen, ob ich mich mit diesem werkstoff anfreunden kann.
Tolle geschichte,und Danke fuer die Muehe Sie aufzuschreiben. Nun Ich bin selber am Bogen suchen-- und auch in der selben Preissklasse, nur-- ich wohn in Irland und kann nicht mal geschwind zum bogenbauer oder zur Ausstellung fahren. Ich hab nen' Gerhard Penzel Klassik bogen 62gr. der ist einfach klobig und schwer zu beherrschen, und dann einen Pfretschner Bogen selbes Gewicht, fuehlt sich aber nur halb so schwer an und macht willig so ziemlich alles mit - ist aber im Ton nicht besonders grossartig. Also mit einem gewissen Mass an Versuchung, denn Ich brauche ja eigentlich keinen neuen bogen-- bin ich also auf der Suche. England ist im Moment zu teuer durch den Wechselkurs bedingt, also dann eben Deutschland, etc. --
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