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Guten Tag zusammen,
das ist mein erster Beitrag hier, ich hoffe, ich mache alles richtig. ;-)
Ich bin 56 Jahre alt und habe früher (bis vor ca. 20 Jahren) als Laie auf einem ganz ordentlichen Niveau gespielt (im wesentlichen viele Muggen und ein festes Orchester, in dem ich ca. 12 Jahre dabei war. So viel zu meinem technischen Stand. Aus gesundheitlichen Gründen ist das dann damals eingeschlafen - leider.
Zu meiner Geige: ich besitze eine alte italienische Geige von 1743, von der wohl so viel gesichert ist, dass sie aus Florenz stammt und (das muss schon lange her sein) "getunt" wurde (Mein Geigenbauer hat damit die Tatsache bezeichnet, dass schon vor langer Zeit einmal die Decke abgenommen und von unten her ausgedünnt wurde, um sie lauter zu machen). Seit einer Reparatur (sie war durch Fremdeinwirkung beschädigt worden) hatte ich schon damals ein großes Problem mit Wolftönen auf der G-Saite und einem ständigen Kratzen am Ohr auf der A- und vor allem der E-Saite (das Zuhörer aber nicht wahrnehmen). Kurz nach dieser Reparatur vor ca. 20 Jahren kam es dann so, dass ich das Geigenspiel innerhalb von kurzer Zeit aus gesundheitlichen Gründen ersteinmal ganz aufgeben musste. Eigentlich war damals mit dem Geigenbauer vereinbart, sie einzuspielen, um dann noch nachzubessern, so dass sie ihren ehemaligen strahlenden und voluminösen Klang wieder bekommt. Nur dazu kam es dann leider nicht mehr...
Jetzt bin ich seit kurzem dabei und spiele wieder ein wenig. Nur sind eben noch Obligato-Saiten drauf (also ein neuer Satz, den ich von damals noch hatte). Mit denen hat sie einstmals toll geklungen. Seit dieser Reparatur klingt sie damit aber sehr grell und die ganze G-Saite ist ein einziges Wolfsrudel sozusagen.
Jetzt wollte ich mal hier in die Runde fragen, was für Saiten da als Alternative empfehlenswert sein könnten. Es sollten Kunststoffsaiten sein, und mir kommt es (derzeit) darauf an, dass es beim Spielen am Ohr schön (bzw. weicher als mit den Obligato) klingt. Mein Ziel ist es jetzt weniger, meinen alten Stand wieder zu erreichen (so viel Zeit hätte ich zum Üben gar nicht). Sondern eher, die Geige wieder einigermaßen einzuspielen, so dass es Sinn macht, sie nochmals zum Geigenbauer zu bringen, um dieses klangliche Manko, was durch die erwähnten Reparatur entstanden war, vielleicht wieder zu beheben oder zumindest abzumildern...
Ich bedanke mich im Voraus für jeden Tipp.
Mit freundlichen Grüßen, jd65
Hallo jd65,
nach Deiner Schilderung wurde dein Instrument nach der Reparatur vermutlich nicht sorgfältig genug eingerichtet, d.h. Länge der Einhängesaite, Stegposition, Stimmstockposition wurden nicht optimiert. Eine falsche Einstellung dieser Teile kann sehr leicht die Wölfe und Schnarrtöne des Instrumentes hervorholen. Daß Dich der Geigenbauer schon damals darum bat, daß Du ihn nochmals konsultierst um den Klang einzujustieren spricht dafür, daß er von diesen Problemen wußte. Vermutlich bat er Dich das Instrument zunächst eine Zeit lang zu spielen, damit Du angeben kannst wie der bestehende Klang verändert werden soll, z.B. mehr heller oder dunkler, lauter oder leiser, die Noten auf welchen die Wolftöne liegen, etc..
Technisch gesehen sind Wolftöne zu starke Resonanzen der Geigendecke und Schnarrtöne (das ist das "Kratzen" das Du auf A- und E-Saite hörst) zu starke Resonanzen des Geigenbodens. Auch eine zu lange Einhängesaite kann selbst zusätzliche Resonanztöne haben. Diese unerwünscht starken Resonanztöne muß man durch die richtige Einstellung von Stimmstock, Steg, Einhängesaite und manchmal auch durch die Wahl eines anders bemessenen Saitenhalters dämpfen.
Bei der Saitenwahl für ein Instrument mit latent vorhandenen Wölfen sollte man beachten, daß eine zu starke G-Saite das Hervortreten der Wölfe begünstigt. (Darauf hat schon Carl Flesch vor 90 Jahren hingewiesen.) Wenn Du das Instrument vor dem sorgfältigen Einrichten durch den Geigenbauer einspielen möchtest, und die übermäßigen Resonanzen dabei etwas schwächer sein sollen, dann achte bei der Wahl eines neuen Saitensatzes darauf, daß vorallem die G-Saite weicher ist als die derzeitig aufgezogene Obligato G-Saite. Dabei ist zu beachten, daß es Obligato-Saitensätze vor 20 Jahren noch in 3 verschiedenen Stärken gab. Die Zugspannungen für die G-Saite des Obligato Modells waren:
weich: 4,31 kp (kp steht für "kilopond", eine veraltete Einheit für die Kraft)
mittel: 4,54 kp
hart: 4,67 kp
Informationen wie man die Saitenstärke einer vorhandenen Pirastro Saite erkennt und die Zugspannungswerte der aktuell angebotenen Saiten findest Du auf www.pirastro.de. Für die Saiten anderer Hersteller natürlich auf deren Webseiten.
Mein persönlicher Rat ist: Wenn der Klang des Instruments mit dem Obligato Saitenmodell vor der Reparatur gut war und Dir gefallen hat, dann muß sich dieser Klang durch eine sorgfältige Einrichtung des Instruments auch wieder herstellen lassen, denn bei der Reparatur wird der Geigenbauer das Instrument hoffentlich nicht in wesentlichen Teilen verändert haben. Ich würde daher bei den Obligato Saiten bleiben. Kauf Dir einen neuen Obligato Saitensatz, wenn es ihn noch in der von Dir früher verwendeten Stärke gibt und ziehe ihn auf. Spiel das Instrument damit für 2 bis 3 Wochen und notiere Dir alles was Dich am Klang stört ganz genau. Mit dieser Liste an Veränderungswünschen gehst Du dann zum Geigenbauer damit er durch richtiges Einstellen die Wölfe tötet.
Nachdem das Instrument 20 Jahre lang "geschlafen" hat, kann man durch Einspielen den Klang ein wenig und besonders das Ansprechen des Instruments vorallem in den hohen Lagen deutlich verbessern. Die Wolf- und Schnarrtöne werden sich dadurch aber nicht wesentlich verändern. Dafür muß wie schon gesagt der Geigenbauer mit einer sorgfältigen Einstellung sorgen. Deshalb ist auch das Aufziehen eines anderen Saitenmodells nicht wirklich hilfreich. Dadurch wird am eigentlichen Problem der schlechten Einstellung des Instruments nichts verbessert. Nur die Symptome wie z.B. die Wolftöne werden etwas gemildert.
Mit Deinem wiedergefundenen Hobby wünsche ich Dir viel Freude. Ein Instrument ist ein zuverlässiger Lebensbegleiter bei dem man gut und gerne Zuflucht suchen kann.
Obendrein wünsche ich viel Erfolg beim Wölfe töten.
Hallo Stehgeiger,
zunächst vielen Dank für die ausführliche Beratung und sorry für meine späte Rückmeldung.
Ja, das Problem an der Reparatur war auch, dass die Geige nicht lange vor dieser Beschädigung komplett restauriert worden war. Und die Reparatur hat dann der gleiche Geigenbauer gemacht, der sie restauriert hat. Es ist so lange her, dass ich es nicht mehr sicher weiß, aber wir haben damals im gleichen Orchester gespielt und da stand ein Konzert an, so dass beschlossen wurde, dass ich mal probiere, das Konzert und die anschließende Weihnachtszeit bestreite und danach nochmal vorstellig werde. Und das ist dann leider anders gekommen...
Das mit den Saitenstärken ist ein guter Tipp. Damals war ich durchaus auch noch ab und an solistisch unterwegs und habe die Saiten schon entsprechend gewählt. So ist vor allem als G-Saite die (vermutlich) stärkste Variante drauf, die es damals gab. Das muss ich dann beim Kauf eines Satzes Ersatzsaiten, der demnächst mal ansteht, bedenken.
Fürs erste muss ich aber einen Modus finden, wie ich das wieder in meinen Tagesablauf integriert bekomme nach so langer Zeit. Und ich muss lernen, meine Ansprüche von damals aufzugeben und mich mit weniger zufrieden zu geben. Alles gar nicht so einfach...
Beste Grüße, jd65
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