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Doch noch Schnäppchen bei Online-Auktion?

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piazzolla Profilseite von piazzolla, 16.11.2019, 13:01:17
Doch noch Schnäppchen bei Online-Auktion?

Liebe Forengemeinde, 

 

gestern Abend wechselte beim großen Auktionshaus dieses Cello für unter 900€ den Besitzer. Ich habe mich im Nachhinein richtig darüber geärgert, dass ich nicht offensiver geboten hatte. Schön, dass solche Schnäppchen offenbar immer noch möglich sind. Was halten die Experten davon?

 

https://www.ebay.de/itm/Cello-Celli-4-4-Orselli-Enrico-1924-Ganzer-Boden/274094043518

argon Profilseite von argon, 18.11.2019, 15:52:18

„Schnäppchen“ sind Online immer möglich, aber doch sehr selten.
Dieses hier war keines, es ist nämlich nicht verkauft worden. Oder doch?
Übermorgen um 10:39 Uhr endet es erneut.


Vielleicht war es ein Spaßbieter, aber wahrscheinlicher ist es, dass der Händler einen „Abfangaccount“ nutzt um seine Preisvorstellung durchzusetzen. Wenn der Preis nicht erreicht wurde, wird der Kauf nach Ende der Auktion vom „Kunden“ abgebrochen und das Cello wieder eingestellt.
Ganz böse wäre es, wenn der echte Kunde einfach irgend ein Cello mit passendem Label bekommt... Ich will niemandem etwas unterstellen, aber auf Ebay gibt es auch das.
Spannender Weise wurde am 29.10. ein Cello mit exakt gleichen Bildern/Label ebenfalls auf Ebay vom gleichen Verkäufer verkauft. Damals für 871 €. Der Kunde war ganz begeistert. (Kann man über die Bewertungen aufrufen.)


Und hier sind wir beim Label... Ein echtes Label ist auf Ebay etwa so häufig, wie ein 6er im Lotto. Mit Zusatzzahl. Jetzt kaufe ich keine Cellos, und die „Italiener“ (bei allen Streichinstrumenten) sind mir ein wenig suspekt, aber... so spontan dachte ich beim Holz: „Das sieht ganz nach Erzgebirge aus.“ Ich kann mich natürlich täuschen, aber das hätte ich so spontan bei einem Italiener nicht vermutet... ;-)


Zudem sollte man sich immer fragen: Warum sollte jemand ein Instrument für so wenig Geld verkaufen, wenn er mit ganz wenig mehr Aufwand, erheblich mehr bekommen kann?
Ein Cello von Enrico Orselli ist in gutem Zustand zwischen 12-15.000 € wert. Selbst bei einem Notverkauf, wird man bei jedem Geigenbauer die Hälfte davon bekommen. Und aus reiner Herzensgüte verramscht der Händler es auf Ebay und zahlt dafür noch Gebühren?


Wobei.. Händler? So jemand mit Gewährleistung und Rückgaberecht?
Oder eher ein „privater“ Account, der zwar Instrumente dutzendweise verkauft aber keinerlei Garantie und Rückgaberecht anbietet? Trotz all der schönen Namen auf den Instrumenten?


Sagen wir so: Unter einem Schnäppchen stelle ich mir etwas anderes vor.
 

piazzolla Profilseite von piazzolla, 18.11.2019, 17:29:25

Mittlerweile wird das Cello innerhalb von 2 Wochen ein Drittes Mal angeboten ;-).

Selbstvertändlich handelt es sich nicht um ein italienisches Cello, geschweige denn von Orselli, sondern um ein evtl. böhmisches Manufakturinstrument. Auf dem Gebrauchtmarkt werden mir ähnliche Instrumente allerdings immer für mindestens den doppelten Preis angeboten. Das ist für mich durchaus ein Schnäppchen. Bei näherer Betrachtung der Fotos sehe ich aber auch einen stark von der Norm abweichenden Kerbabstand im Obersattel und ein evtl. angefugtes Stück am Boden rechts unten, als ob das ganzteilige Tonholz nicht groß genug war und man ein kleines Stück ergänzen musste. Sowas mindert natürlich die Qualität. Ich kann mich aber auch täuschen und es gibt nur einen sehr abrupten Helligkeitswechsel im Holz. Schnäppchen a la ein echtes italienisches Meisterinstrument mit Zettel sind bei eBay natürlich nicht drin, da die Händler hier wie die Geiger drauf warten und zuschlagen. 

 

 

argon Profilseite von argon, 18.11.2019, 21:31:00

Ok, wenn man weiß, was man wirklich vor sich hat, kann man auch auf Ebay das ein oder andere Schnäppchen machen. Ich kaufe meine Geigen ja tlw. auch dort. Gerade die Böhmen sind z.T. stark unterschätzt. Sofern man sie von einer ganz billigen Fabrikgeige und einer Chinesin unterscheiden kann, natürlich.
Aber… wenn ein Account soo suspekt ist, muss der Preisabschlag auch entsprechend hoch sein.
Schließlich ist auch das Risiko entsprechend höher, als wenn man das Instrument in der Hand hatte.

Der Obersattel ist da noch das kleinste Problem, der Aufwand einen Neuen zu machen ist nicht besonders hoch. (geht aber auch vom Preis ab.) Das eingesetzte Stück ist kein Lichteffekt, sieht aber ganz gut aus. Aber ob das eine recht gute Reparatur oder ab Werk so ist, kann man auf den Fotos nicht sehen. Da würde ich automatisch vom „Schlimmsten“ ausgehen, sofern ich mich davon überzeugen könnte, so viel Geld bei diesem Account zu lassen. ;-)

Was wir nicht sehen ist die Zarge an der Unterseite. Bei einer Geige kann man in solch einem Fall davon ausgehen, dass das Instrument dort offen ist. Das ist wertmäßig nicht schlimm, aber eben auch ein bisschen Aufwand. Den Halsansatz hätte ich auch noch gern im Detail gesehen.
Die Saiten kannst Du auf jeden Fall ersetzen, ich habe bei Ebay-Schnäppchen noch niemals „vernünftige“ erlebt. Das geht auch vom Preis ab, bei Offline-Angeboten ist nämlich meist etwas „spielbares“ drauf. Den Saitenhalter würde ich auch ersetzen. Der Untersattel wird wahrscheinlich irgendwann ein Problem beim Spielen. Gerade ist etwas anderes. Das ist nicht völlig trivial.
Die Wirbel sehen dafür ganz brauchbar aus. Ein bisschen Nacharbeit ist immer, aber man ist ja manchmal schon froh, wenn sie nicht mit einem Schnitzmesser „in Form“ gebracht wurden.
Zum Steg kann ich nichts sagen. Aber es summiert sich langsam… auch ohne Risikoabschlag.

Generell würde ich einem „Anfänger“ nicht raten auf Ebay zu kaufen. Also keinem, ich kann ja niemandem hinter die Stirn blicken. Aber die Erfahrung lehrt, dass immer noch viel zu viele Leute den Zetteln vertrauen. Oder zumindest darauf hoffen. Du kannst ja mal hier im Forum nach „Dachbodenfunden“ stöbern. Die sind natüürlich aallee niiee auf Ebay gekauft. Oder man beobachtet Ebay selbst. Zumindest bei Geigen ist es nicht selten, dass sie ohne Zettel verramscht werden und Wochen später mit Zettel für den 4-5fachen Preis wieder auftauchen.

Die Leute glauben sogar, dass ein 200 Jahre alter Zettel wie frisch kopiert aussehen kann und dass es völlig normal ist, noch Klebstoffspuren am F-Loch zu haben.

Und wir haben noch nicht darüber geredet, welche Fehler ein Laie nicht sieht.
Stimm- und Bassbalkenrisse sind selbst dann wertmindernd, wenn sie ordentlich repariert sind. Auf dem Cello habe ich jetzt keine gesehen, aber Haarrisse könnte man auf den Fotos auch nicht sehen. Allerdings erlebe ich es immer wieder, dass Leute sich um Geigen prügeln, die ich „Fritzchengeige“ nenne, nur weil ein hübscher Zettel drin ist. (Das bezieht sich auf den Witz, in dem Fritzchen Trecker fährt.)
Selbst offene Risse sind so gut wie nie abschreckend, wenn es noch keine Krater sind. Schon weil kaum einer eine Idee hat, was für ein Aufwand solche Reparaturen sind, wenn man es richtig macht.
Die Chance, sich böse in die Nesseln zu setzen, ist gerade am Anfang gigantisch.
Wenn dann noch ein Dilettant in der Vergangenheit Reparaturen mit Weißleim durchgeführt hat (Das sieht man auf Fotos so gut wie nie.) kann man sich schon mal auf bittere Tränen einstellen.

Wer unbedingt Ebay probieren will, sollte dringend den Markt über längere Zeit beobachten, bevor er das erste Mal kauft.
Nach einer Weile fängt man automatisch an, einige Accounts für suspekt zu halten. Sei es, weil sie ein atypisches Bieterverhalten zeigen, oder weil erstaunlich viele Accounts sich dieselben Fotos teilen. (Es gibt bei den Streichinstrumenten z.B. einen „privaten“ Händler, der allein mit mind. 14 verschiedenen Accounts antritt). Man erkennt nach einer Weile auch Instrumente wieder, die schon einige Versteigerungen hinter sich haben.
Gleichzeitig sollte man in der Offline-Welt so viel wie möglich lernen. Es hilft auch, einfache Reparaturen selbst zu können und mal am Weißleim zu verzweifeln. Nur um den Aufwand zu kennen.
Auf gut Glück ist es dagegen ein Lotto-Spiel. Wenn man Pech hat, ein ziemlich teures. Und das ist dann kein Lehrgeld, sondern Leergeld.
 

Neuester Beitrag piazzolla Profilseite von piazzolla, 18.11.2019, 23:28:43

Aragon, besten Dank für deine Analyse!

Ich als Laie hätte mich beim Kauf sicher in die Nesseln gesetzt. Man denkt ja leicht, dass kleine Reparaturen, wie Austausch des Obersattels, schnell und günstig machbar sind. Aber wie du richtig beschreibst, summiert es sich. Man weiß ja auch nicht, ob der Steg genau für das Instrument bereits angepasst wurde und schon sind wieder 100-150€ beim Geigenbauer fällig. Eindeutiges No-Go ist aber deine Bestätigung, dass der Boden unten rechts ergänzt wurde. So ein Instrument will ich einfach nicht haben, auch wenn es sich klanglich überhaupt nicht negativ auswirkt. Dafür bin ich zu sehr Optik-Ästhet. Ich denke einfach, dass meine ursprüngliche Idee, ein gutes Angebot direkt aus der Werkstatt von Walter Mahr anzunehmen, keine schlechte Idee ist. Bei ihm stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis und auch die Saiten werden nicht die Schlechtesten sein ;-)

 

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