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Guten Tag zusammen, habe mich gerade registriert. Kurze Vorgeschichte: Mein jüngerer Sohn (10) lernt Bratsche - und ich wurde vom Lehrer von Anfang an verhaftet, am Unterricht teilzunehmen, damit ich meinen Sohnemann während des Übens zu Hause unterstützen kann. Gut, jetzt habe ich wahrscheinlich die eine oder andere Grundlage verstanden :-)
Ende vom Lied: Ich habe nun auch ziemlich Lust entwickelt, da mit einzusteigen. Und gestern ist mir doch tatsächlich eine Bratsche zugeflogen... Hilft also nix, der Rest der Familie darf sich jetzt noch mal Katzenmusik anhören. Da müssen sie durch.
Was mich interessiert: Lässt sich aufgrund irgendwelcher Details eines Instruments vielleicht eingrenzen, wann und wo es in diese Welt gefunden haben könnte? Die Bratsche dürfte so 50 bis 70 Jahre alt sein (zumindest nach Aussehen des Koffers und der alten Pirastro-Tütchen). Da waren sogar noch zwei gespielte Saiten aus Naturdarm mit dabei, die wirklich ziemlich vintage aussehen. Einen Aufkleber oder Notizen im Korpus habe ich nicht entdecken können. Aber ein "Made in China" erwarte ich da auch nicht unbedingt bei dem Alter... Mein Sohn entlockt der Bratsche auf jeden Fall ganz nette Töne - und das möchte ich demnächst dann auch mal.
Frage: Lässt sich anhand der Bilder festmachen, mit was für einer Dame ich es hier zu tun haben könnte? Vielen Dank für die Unterstützung und herzliche Grüße, Christian
Jedenfalls, Glückwunsch zu dem Entschluß, es ist nie zu spät! Herzlich willkommen im Club der Spätberufenen...
Hallo, ich würde die auf jünger als 50-70 Jahre schätzen. Es fehlen die typischen Gebrauchsspuren, wie z.B. Abnutzung am Oberbug, wo die linke Hand bei den hohen Tönen an den Deckenrand und die Zarge kommt. Oder im Bereich des Kinnhalters, wo durch Schweiß und Hautfeuchtigkeit Abnutzungsstellen entstehen, oder die Spitzen der C-Bügel, die sehen wie neu aus, oder der Bereich des Steges, usw. Es macht schon misstrauisch, wenn eine neue Bratsche in einen alten Kasten mit alten Zubehör gepackt wird. Ich kann China als Herkunftsland nicht ausschließen.
Aber das ist alles nebensächlich, wenn die Bratsche gut klingt und gute Spieleigenschaften hat. Auch aus Fernost können gute Instrumente kommen.
Auf jeden Fall wünsche ich viel Freude damit und viel Erfolg!
Hi Norbert, das Instrument ist mir tatsächlich zugeflogen, der Verkäufer hatte keine Gewinnabsicht. Eigentlich war es ein sehr geringer symbolischer Preis. Die Bratsche muss zuletzt um die 35 bis 40 Jahre im Koffer gelegen haben, weil sie einfach nicht gespielt worden ist. So, wie es sich anhörte, wurde sie auch in den Jahren zuvor nicht viel gespielt. Alles absolut glaubhaft, weil es nicht um eigentliches "Geschäft" ging - es hat sich eher in der Folge einer Begegnung aus anderem Anlass ergeben. Von daher glaube ich das einfach mal mit dem Alter. Mir geht es auch absolut nicht um die Ermittlung eines Wertes in Euro, sondern eher um so was wie eine regionale Einschätzung. Einfach um Infos dazu - was weiß ich, Sachsen, Frankreich oder wo auch immer. Ich gehe davon aus, dass es sich um einstige Massenware handelt. Stört mich aber nicht, weil ich mich einfach darüber freue, jetzt ein eigenes Instrument zu haben und mir von meinem Jüngsten anhören darf, wie weit ich von schönen Tönen entfernt bin :-)
Ich werde die kommenden Tage wohl endlich neue Saiten kaufen und dann üben, üben, üben... Heute habe ich von einem Bekannten einen anderen Kinnhalter bekommen, der scheint besser bei mir zu passen als der, der dran war. Das ging gar nicht. Zum Geigenbauer nehme ich die Bratsche beim nächsten Mal mit, wenn ich mit dem Instrument meines Sohnes dort auflaufen muss (da wird ein neuer Steg angepasst).
Aufgefallen ist mir beim Umbau eine Wulst am Korpus unten mittig (war der alte Kinnhalter drüber). So etwas habe ich bei anderen Geigen oder Bratschen noch nicht gesehen. Keine Ahnung, ob das ein Indiz für etwas sein könnte, aber es ist immerhin auffällig.
Manchmal sind Zettel in Streichinstrumenten so angebracht, dass sie von außen nicht so ohne weiteres zu sehen sind. Falls Du einen Zahnarztspiegel hast, der sich durch die F-Löcher friemeln lässt, könnte es sich lohnen damit die Innenseite des Korpus abzusuchen.
Aber auch ein fehlender Zettel ist in gewisser Weise ein Indiz. Ich denke, der häufigste Grund, warum eine Instrument ohne Zettel daher kommt, ist, dass irgendwann ein Händler (oder vielleicht auch der Hersteller) dachte, dass es sich besser verkaufen würde, wenn die Herkunft unklar ist, als wenn sie eindeutig zugeordnet werden kann. Das würde - wenn die Datierung auf vor 50-70 Jahren einigermaßen hinkommt - für eine sächsisch böhmische, vielleicht auch slowakische oder rumänische Herkunft sprechen. Allerdings könnten gerade in dieser Epoche auch ideologische Gründe hinter einer Anonymisierung des Instrumentes gesteckt haben; von daher wäre es interessant zu wissen, ob das Instrument seinen Dornröschenschlaf westlich oder östlich des Eisernen Vorhanges absolviert hat. Aber ich muss natürlich klar sagen: Das ist Spekulation. So ein Zettel kann auch einfach so verloren gehen oder aus ganz anderen Gründen entfernt worden sein. Mein Großvater hatte eine böhmische Geige mit falschen Stradivari-Zettel und hat den in den 1980ern rausmachen lassen, weil er mit der Geige ins Ausland wollte und Angst hatte, mit einem Stradivari-Zettel an der Grenze Schwierigkeiten zu kriegen.
Wie sieht der Lack unter den Stegfüssen aus? Kannst du da mal nachschauen?
Ich meine Anzeichen dafür zu sehen, dass der Lack unter den Stegfüssen herausgerissen ist.
Ich habe schon gesehen, dass der Lack unter den Stegfüssen mechanisch entfernt wurde (warum auch immer, vielleicht weil jemand meinte, der Lack dazwischen würde die Schwingungsübertragung dämpfen???), aber auch, dass der Steg angeklebt war und beim Entfernen des Stegs reisst der Lack vom Holz ab. Das waren dann Chinesische Geigen.
Die haben sogar manchmal den Stimmstock angeklebt. Ich vermute, damit er auf dem Transport nicht umfällt.
Vielen lieben Dank für alle Rückmeldungen. Inzwischen hat der Bratschenlehrer meines Sohnes das Teil (mit neuen Saiten) in der Hand gehabt, etwa zehn Minuten drauf gespielt und geurteilt, dass es ein prima Instrument für meine Zwecke ist. Das soll mir denn nun auch genügen.
Aber wie es der Teufel will, gibt es gleich neue Fragezeichen in meinem ahnungslosen Leben... Jetzt ist bei uns auch noch eine Geige eingezogen, in einem uralten Koffer aus Holz (so ein Sarg mit Henkel auf dem Deckel, drinnen so was von hart und ungepolstert), da war in dem kleinen Fach noch Kolophonium des Herstellers "Lapella" (Nr.87) aus der Zeit, als es Österreich-Ungarn noch gab. Die Streichholzschachtel-große Verpackung aus Pappe und die restlichen Bröckchen darin müssen also irgendwas um die 100 Jahre oder älter sein.
Eigentlich habe ich mir die Geige angelacht, weil ich es über den nächsten Winter mal versuchen wollte, ob man so ein Instrument als einigermaßen begabter Holzwurm nicht aufgearbeitet bekommt. Keine Risse - aber reichlich Macken und auf dem Rücken zwei kahle Stellen. Scheint mir also machbar zu sein.
Stutzig macht mich jetzt dieses Papier in der Geige. Darauf steht "Nicolaüs Simoutre, Lupot Nicolai (mit Doppel-i-Punkt) discipulus, Divoduri fecit 18 (weitere Ziffern danach nicht erkennbar). Das Papier sieht so aus wie auf diesem Link bei Wikimedia: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/93/Étiquette_Nicolas_Simoutre_—_18.._-_T2p379.png
Die Saiten scheinen durch zu sein. Aber auffällig ist, dass die Geige viel, viel lauter ist als unsere Bratschen. Das ist echt der Hammer. Da denkt man gleich über eine Otoplastik nach. Und worüber ich auch nachdenke: Dieser Nicolas Simoutre scheint keine großen Fußabdrücke hinterlassen zu haben. Franzose. Geboren 1788, gestorben 1870. Hat Geigen gebaut. Und hatte einen Sohn, der auch Geigenbauer war, reichlich experimentiert und dabei nicht immer ein glückliches Händchen gehabt haben soll. An anderer Stelle findet man, dass Nicolas Simoutre (also der Vater, von dem laut Papier die Geige stammen soll), gute Instrumente gebaut habe.
Zu den Fragen, die ich mir stelle: Macht sich jemand die Mühe, solche Visitenkarten von nahezu namenlosen Geigenbauern zu fälschen? Und bekomme ich irgendwann eine blutige Nase, wenn ich an so einem Instrument herumbastele? Viel kaputtmachen kann ich glaube ich nicht, aber Instrumente in einem guten Zustand scheinen nicht ganz ohne Wert zu sein, wie dieser Link hier zeigt: https://tarisio.com/cozio-archive/price-history/?Maker_ID=687&search_last_name=simoutre&search_city=
Basteln oder nicht - das ist hier die Frage... Gruß in die Runde!
Vielleicht kannst du ja noch mal ein paar Bilder von der Geige einstellen. Aber ich denke, es wird sich wohl um eine der vielen tausend Geigen aus Böhmen handeln. Der Sargkoffer ist schon typisch für solche Geigen. Die haben alle möglichen Namen dort reingepappt. Hauptsache er klingt italienisch oder französich. Manchmal sind die Namen überhaupt nicht mehr zu recherchieren. Aber wenn du dir unsicher bist, dann zeig die Geige deinem Geigenbauer.
Echt, haben die Jungs in Böhmen selbst mit B-, C-, und Z-Promis der Szene geschummelt? Ist ja krass! Ein Grund mehr, sich mal weiter in die Materie einzuarbeiten. Ich finde das alles ja hochspannend. Wenn es nicht nervt, mache ich gleich mal ein paar Fotos und schiebe sie hier rein.
Soooo, hier ein paar Fotos. Keine Ahnung, ob man da was mit anfangen kann. Kunstlicht und Handy sind keine gute Kombi...
IMG_329
Leider ist dieses keine hochwertige Geige! Lohnt sich nicht zum Geigenbauer damit zu gehen. Die Schnecke ist nicht sauber gearbeitet, die Ader im Bereich des Blättchens ist nicht gut geführt, der Lack ist billig usw. Die ist auch bestimmt keine 100 Jahre alt.
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