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Heuer doch wieder Musica-Viva in Österreich
Letztes Jahr hatte ich - Corona sei Dank - auf ein Abenteuer mit Musica-Viva umsteigen müssen, um meinen jährlichen Musikurlaub zu verwirklichen. Auch 2021 wird noch vieles anders, als gedacht oder gehofft. Meine zweite Impfung kommt jedenfalls zu spät für die Musikwochen der WGM. Und so greife ich noch einmal auf Musica-Viva zurück, auf den Kurs Streicherensembles.
Dafür hatte Musik-Viva in einer Mailing-Aktion zu vergünstigten Konditionen Violistinnen gesucht - Männer sind wie immer mitgemeint. Und da sie auch gute Corona-Stornokonditionen einräumen, habe ich es gewagt, mich vor gesichertem letzte Impfterm anzumelden. So werde ich dieses Jahr - wenn alles gut geht - wieder über eine neue Form des Musikurlaubs berichten.
Ehrlich gesagt, bin ich kein Kammermusiker und kein Vom-Blatt-Spieler. Ich neige dazu, mich im Gewusel der Geigen zu verstecken. Deshalb graut es mir etwas vor diesem Kurs. Aber immerhin habe ich vorher gefragt, ob ich so überhaupt dort hineinpasse. Und ob die Noten langfristig genug vorher kämen, weil ich nicht kurzfristig viel Übezeit freiräumen könne.
Nun, es hieß, das passe und wir erführen 5 Wochen vor Beginn mehr. Worum es bei diesem Kurs also geht, wie viele daran teilnehmen und was mir 'aufs Pult gelegt' wird, werde ich Euch ab Mitte July sagen. Und wie es dann vor Ort ist, werde ich Euch ab dem 22.8 berichten.
herzlichst P.
Ein erster Zwischenbericht: Die Vorbereitung
Vier Wochen vor Reisebeginn sollten wir Noten und Teilnehmerliste bekommen. Vor einer Woche ist beides punktgenau eingetroffen. Das beruhigt mich. Denn immerhin nehme ich immer wieder und immer noch als lausiger Vom-Blattspieler teil, der Stress bekommt, wenn er nicht vorher üben kann oder die Sachen zu schwer sind. Doch der Reihe nach:
Es gibt 11 Teilnehmerinnen (Männer sind mitgemeint), eine begrenzt teilbare Zahl also. Und doch haben sie die Einteilung geschickt gelöst: Es spielen jeden Morgen und jeden Nachmittag je 2 Streichquartette und 1 Streichtrio. Die Zusammensetzung wechselt aber vom Vormittag zum Nachmittag: So spielt jede mal Quartett (aber nicht jede Trio), wir hängen nicht den ganzen Tag mit denselben rum (was schade ist, wenn’s passt, aber gut, wenn nicht); und doch können wir mit je festen Teams konstant arbeiten. Bingo.
Mich hat man gebeten, morgens in einem Trio die zweite Geige zu übernehmen: In drei von Dvoraks 4 Miniaturen op. 75a (hier mal die Cavatina in schnell und in langsamer) und in 2 Sätzen aus einem Trio von Wilhelm Friedrich Ernst Bach, einem Bach-Enkel (hier mal eine halbwegs hörbare Version des 1. Satzes). Das ist wirklich machbar. Und die Dvoraks können ausdrucksstark gespeilt werden. (Wieviel Wilhelm verträgt, muss sich noch rausstellen ;.-) )
Am Nachmittag soll und darf ich dann die 1. Geige spielen, in Mozarts Streichquartett Nr. 4 KV 157 und in der Romanze aus Rachmaninoffs Streichquartett. Letztere ist ein Traum und gut machbar. Ersteres bedarf natürlich der besonderen Übung.
Ich hatte bei der Anmeldung sorgenvoll nachgefragt, ob ich da überhaupt hineinpasse und als echter Laie auch wirklich früh die Noten zum Üben bekämen. Beides war mir zugesichert worden - und ist bis jetzt gut eingehalten worden. Ein guter, ein fürsorglicher Service. Ich glaube, ich kann (diesmal) entspannt(er) hinfahren.
Ein zweiter Zwischenbericht: Das Geld
Wer ‘urlaubt’, will wissen, was es kosten wird: Im letzten Jahr hatte ich schon vorgerechnet (hatte ich überhaupt richtig gerechnet?), warum ich die Kosten nicht für zu teuer halte. Dies Jahr fällt es für mich noch günstiger aus:
Zum ersten kostet die Kurswoche ‘nur’ 1126,– €, incl. Vollpension und Einzelzimmer. Zum zweiten habe ich - weil Geigen gesucht waren - eine Vergünstigung auf 926,– € bekommen. Und zum dritten findet der Kurs in Österreich statt, in der Villa Sonnwend in Windischgarsten. So kostet mich die Bahnfahrt (mit Bahncard First 50 und Zugbindung) nur 112,– €. Hinzu kommt viertens allerdings noch die obligatorische die Reiserücktritts- und -abbruchversicherung von wieder ca. 70,– €
Mithin liege ich heuer (Österreich sei schon vorab gegrüßt) bei ungefähr 1110,– € für die ganze Woche. (In Goldrain waren es 1600,–)
Setze ich wieder einmal - vergleichsweise - meinen ‘üblichen’ Hotelpreis von 80,– € und die Zusatzverpflegung mit 20 € an, teilt sich der Betrag in 700,– € für Wohnen und Essen (7x80+7x20) und also 410,– € für die musikalische Betreuung auf. Der Kurs hat wieder 5 Unterrichtstage zu je 6 Stunden, also 30 Unterrichtstunden. So ergibt sich eine reine Unterrichtsgebühr von ca. 13,70 € / Stunde. Das liegt etwas über dem neuen Mindestlohn der SPD und noch unter dem Stundensatz unser Zugehfrau.
Ich fühle mich also erneut auch pekuniär gut aufgehoben.
Ein dritter Zwischenbericht: Lampenfieber
Nun ist es so weit: heute reise ich an. Das gibt mir Gelegenheit, mir vorab Zufriedenheitspunkte zu setzen. Denn wie heißt es so schön: nachher kann jeder.
Ich habe die Stücke jetzt 4 Wochen geübt und kann sie leidlich. Nicht perfekt, aber so, dass ich sie entspannt musikalisch spielen kann und nicht (immer) mit der Technik kämpfe. Im letzten Jahr hatte ich einen ähnlichen Stand. Und über die Woche damals fühlte es sich ja auch leicht an. Nur war das Abschlusswerkstattkonzert wieder ärgerlich gewesen - mines destruktiven Lampenfiebers wegen.
Diesmal dürfte es noch ambitionierter werden. Immerhin spiele ich im Quartett zum ersten Mal die erste Geige. Das fordert nicht nur musikalisch; man muss ja - jedenfalls denke ich mir das so - den anderen auch eine ‘Schulter zum Anlehnen’ bieten. Meine Hoffnung ist also, dass ich schon mit dieser ‘herausgehobenen’ Position gezwungen bin, mich an das ‘Oh-Gott-Ich-Bin-Hörbar’ gewöhne.
Dann habe ich das Jahr über meine Lampenfieberbücher wieder hervorgeholt: das von Kato Havas und das von Gerd Mantel. Ihre Botschaft ist ähnlich: Übe vorher, im Hier und Jetzt zu bleiben, in dem du auf deinen Atem und deinen Körper achtest. Und nimm aktiv und bewusst mit Blick und Gestik Kontakt zum Zuhörer und Zuschauer auf: mach dir die Situation zu eigen. Der erste Rat ist ‘Zen’: Nur jetzt, nur hier, nur sein, nicht denken. Den zweiten Rat kann ich vorab nicht üben, mir nur vornehmen, ihn in der Situation zu befolgen.
So möchte ich diesmal zufrieden sein, wenn ich die Woche über genussvoll hilfreicher ‘primus inter pares’ sein kann, wenn ich beim Werkstattkonzert das mit der Kontaktaufnahme tatsächlich anwende (das muss ich bewusst tun), und wenn ich wenigstens einen Satz ganz im Jetzt mit den anderen musiziere (das muss ich ohne Denken leben).
Das Problem ist: Müssen ist immer etwas Gedachtes :-)
Und ein vierter Bericht: Wie es dann wirklich war
Vielleicht wartet die eine oder andere - Männer sind bei mir seit kurzem mitgemeint - noch auf den Bericht. Oder hat gar mit einem just-in-time-Report gerechnet. Nun, der Grund meiner Verspätung ist einfach: Der Kurs war so befüllt, dass für’s Schreiben keine Zeit blieb. Darum also dies:
Die Tagesstruktur war ambitioniert. Die erste Session lag zwischen 09:00 und 12:30, die zweite zwischen 15:30 und 18:30. Abends gab es noch 1 Stunde ‘Vom-Blatt-Orchester’. Und in der Mittagszeit zwischen 13:00 und 15:00 musste ich mich auf den Nachmittag oder den nächsten Vormittag vorbereiten. Es war also ein wirklich erschöpfendes Rundumpaket.
Auch inhaltlich: morgens Streichtrio, nachmittags Streichquartett, morgens Dvorak und Bach (nicht er, sondern sein Enkel [geboren, kurz nachdem Mozart sein Requiem nicht vollendet hat und gestorben kurz, bevor Wagner in den Knast kam - hony sois, qui mal y pense. ]), nachmittags Mozart und Rachmaninow. Zu jeder Session kam der Kursleiter zweimal für 20 Minuten dazu. So konnten wir große Teile allein erarbeiten und die wirklich schwierigen Sachen mit ihm angehen. Ein durchdachtes System - gestützt auch von der Sorgfalt, mit der die Niveaus aufeinander abgestimmt waren. Was mich persönlich sehr berührt hat, war, wie verbindlich wir geübt haben, im Trio und im Quartett.
Zum musikalischen Part des Kurses gehörte - wie oft bei Musica-Viva - auch das ‘Werkstattkonzert’. Ab DI war klar, dass wir uns fokussierten mussten. Bei Trio blieb es beim schnellen langen Satz aus dem Bach, im Quartett gab es den ersten Satz aus dem Mozart und die erste Seite aus dem Rachmaninow. Das Lampenfieber hat mich zwar beim Mozart gepackt - wir mussten unerwartet gleich als erste ran - aber ich konnte mich wieder einfangen. Ebenso beim Rachmaninow. Der Bach später hatte zwar viel ‘Kram’ drin, aber er lief, von Ton zu Ton, von Moment zu Moment. Das war toll. So sollte es sein. Für die Erfahrung bin ich dankbar.
An dem Werkstattkonzert spiegelte sich auch die Erfahrung meiner ersten beiden Tage: als 1. Geige zu spielen, begrenzt mich: Es ist schwierig, nicht nur für sich sorgen zu müssen, sondern irgendwie auch für das ganze Gelingen. Das wurde zwar ab dem zweiten Tag besser. Besonders auch durch das Miteinander. Aber es blieb. Und ließ mich beim Konzert im Quartett nicht wirklich entspannt spielen, was den Rachmaninow am meisten behindert hat (ein wunderbares Stück). So war denn auch das Feedback: beim Bachtrio, da sei ich ja richtig drin gewesen.
Bliebe noch das Umfeld:
Das Haus - die Villa Sonnenwend - ist das beste aller Tageshäuser, die ich bisher erlebt habe: Die Zimmer waren groß, mit hohen Wänden in einem Altbau - geschmackvoll eingerichtet - und wurden jeden Tag aufgeräumt. Die Übungsräume waren etwas abseitig gelegen und konnten darum jederzeit benutzt werden - ohne andere Besucher zu stören. Insgesamt ein Service auf hohem Niveau in einer Umgebung auf hohem Niveau.
Wie auch das Essen, für mich - als Vegetarier - meist ein kleines Abenteuer. Hier war alles schmackhaft, abwechslungsreich und fein zubereitet: morgens ein reichhaltiges Buffet, mittags ein kleinerer Imbiss und abends ein ausgefallenes warmes Menü, einmal sogar draußen. Ich habe nicht erwartet, dort so gut zu essen. Ein wirklicher Genuss.
So bleibt auf's Ganze nur zu sagen, dass es wirklich ein gelungener Kurs war. Sehr gelungen. Genauso gelungen, wie die 'Wiedergänger' ihre früheren Teilnahmen am ersten Tag beschrieben hatten. Ihr dürft es Euch also auch gönnen.
happy fiddling, P.
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