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Guten Abend an alle,
ich befinde mich momentan im Prozess des Bogenkaufes und würde mich um Rat von Außenstehenden freuen.
Vor kurzem war ich mit meinem Geigenlehrer (dem ich eigentlich sehr vertraue) beim Geigenbauer, um Bögen auszuprobieren. Zwei haben es in die engere Auswahl geschafft und ich teste sie momentan noch.
Bogen 1 ist ca. 100 Jahre alt und mein klanglicher Favorit. Er holt aus meiner 400€ Geige einen unfassbar schönen, warmen Klang heraus. Insgesamt scheint er mir alles etwas "weicher" zu machen, was aber Sprungtechniken ein bisschen schwerer macht. Er liegt sehr gut in der Hand. Er hat eine achteckige Stange, aber ich weiß nicht ob das einen Unterschied macht.
Problem: Der Bogen ist nicht in einem tiptop Zustand. Es gibt ästhetische Schäden wie die Abnutzung des Perlmuttauges. Das Schlimme sind jedoch Schäden an der Spitze. Ein kleiner Teil der Spitze (die kleine Krümmung) ist abgebrochen und die Kopfplatte hat einen kleinen Riss direkt da, wo die Haare herauskommen. Die Platte muss laut Geigenbauer bei nächster Neubehaarung ausgetauscht werden, damit kann ich jedoch gut leben. Was mich stört ist die Schraube. Sie geht unfassbar schwer. Es ist wie ein Widerstand, nach dem es einfacher geht. Ich muss mir immer das Putztuch der Geige zu Hilfe nehmen, um das Ding bewegt zu kriegen. Spannen und Entspannen bereiten beide Probleme.
Bogen 2 ist ca. 50 bis 60 Jahre alt. Er hat eine runde Stange und wiegt tatsächlich etwas weniger als Bogen 1, trotzdem kommt er mir in der Hand ein kleines bisschen schwerer vor. Er ist auch ein sehr schöner Bogen, der viel aus der Geige rausholt. Es ist einfacher, lauter zu spielen und auch Sprungtechniken fallen mir leichter. Es gibt keine Beschädigungen, nur ein ästehtisches Fehlerchen: Der Schieber wurde mal ausgetauscht und sieht nicht schön aus.
Wie hübsch der Bogen ist, ist mir egal. Hauptsache es klingt gut.
Nun der interessante Teil: Die Meinung meines Geigenlehrers.
Er mag beide Bögen und sagt, beide sind besser als sein momentaner (mit dem er auch sehr unzufrieden zu sein scheint). Als wir beim Geigenbauer waren ist mir aber besonders seine Begeisterung für Bogen 1 aufgefallen. Dort scherzte er, dass er Bogen 1 gerne hätte.
Er sagte, beide sind eine gute Wahl und ich soll entscheiden.
Heute aber das Folgende: Heute meinte er plötzlich, ich solle "unbedingt" Bogen 2 nehmen. Bogen 1 sei zwar ein Niveau besser vom Klang her, aber mit Technik kann ich den gleichen Klang mit Bogen 2 erzeugen.
Er sagte, Bogen 1 ist eher für Orchester geeignet und Bogen 2 für Solisten und Kammermusik. Da ich nicht in einem Orchester spiele, aber in einem Ensemble oder auch mal in einem Duett, sei also Bogen 2 für mich besser.
Außerdem sagte er, dass die Thematik mit der Schraube von Bogen 1 nicht besser werden würde und der Bogen in 10 Jahren wahrscheinlich "unspielbar" sei. Als ich da nachhakte, sagte er dass Geigen nicht mit der Zeit verschleißen, Bögen aber.
Am Anfang des Gesprächs sagte er, dass er Bogen 1vielleicht kaufen wird und wir uns die Bögen auch mal austauschen können. Nachdem er dann das mit den 10 Jahren behauptete, fragte ich, warum er ihn dann kaufen will, da sagte er nur, er wolle ihn noch ein bisschen ausprobieren.
Das Ganze heute hat mich sehr stutzig gemacht. Es ist nicht seine Art, dass er sagt "du solltest unbedingt das tun". Und gibt es nicht auch diese ganz alten Tourte-Bögen, die heute noch gespielt werden? Kann ein Bogenbauer nichts machen an der Schraube? Das ergibt für mich keinen Sinn und ich fürchte, dass er vielleicht Bogen 1 selber haben will. Das alles macht meine Entscheidung noch schwieriger als ohnehin schon, da ich auf seinen ehrlichen Rat gehofft habe... Die Zeit drängt leider bis ich mich entschieden haben muss.
Vielleicht kann mir ja jemand von euch weiterhelfen! Danke im Voraus und ein schönes Wochenende!
LG
Hallo Medjool,
will der Geigenbauer denn den Bogen mit der Schraube in dem Zustand verkaufen? Was sagt der denn dazu? Hast Du die Möglichkeit, zeitnah damit zu einem Bogenbauer für eine Einschätzung zu gehen (auch wegen der anderen Reparaturen? Vielleicht muss ja nur die Bogenmutter erneuert werden. Reparaturen am Frosch sind ja wirklich nichts Außergewöhnliches). Anscheinend wurde der Bogen viel gespielt, was für seine Qualität sprechen würde (und aus Deinen Schilderungen vermute ich auch, dass Dein Lehrer Interesse daran hat). Wenn es der Bogen ist, den Du willst, würde ich da dranbleiben.
Schönes Wochenende
Bavarica
Was heißt denn, "die Zeit drängt"? Könntest du für die drängende Zeit auch einen Bogen ausleihen?
Ich persönlich würde mit dem Geigenlehrer reden und ihm den ersten Bogen überlassen, wenn sein Herz so daran hängt und mir vom Geigenbauer noch mal eine neue Auswahl an Bögen zum Testen vorlegen lassen. Dies wird ja nun nicht der einzige passende Bogen sein. Ich persönlich würde aber auch gerade bei einem Zubehörteil, das ich auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus verwenden möchte, keine Kompromisse wie eine schwergängige Schraube eingehen. Da sollte schon alles reibungslos funktionieren. Eine schwergänge Schräube oder Ähnliches würde ich mir vielleicht erlauben, wenn ich schon einen oder mehrere gut funktionierende Bögen hätte, aber nicht, wenn den ich den einzigen aussuche, mit dem ich auf Jahre hinaus spielen möchte.
LG von
Fidi
Der Geigenbauer bietet den Bogen in diesem Zustand mit Rabatt an. Da ich diesen Bogen wirklich sehr mag, werde ich so schnell wie möglich einen Bogenbauer aufsuchen und fragen, ob sich das Problem beheben lässt.
Noch einen schönen Abend!
LG Medjool
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