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Stradivari echt ? Oder Betrug ?

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Fanny6488 Profilseite von Fanny6488, 05.11.2012, 14:09:11
Stradivari echt ? Oder Betrug ?

Hallo,

durch Zufall bin ich bei ebay auf einige alte Geigen gestoßen. Diese werden mitunter von Antonio Stradivarius oder Mathias Thier angeboten. Einige kann man ersteigern, gestern ging z.B. eine von Mathias Thier für 1400,- € raus. Andere Internetseiten ergaben im Vergleich das eine solche Geige mind. 12000,- kostet. Jetzt hab ich eine Strad gesehen für 299,- €.  Kurioser Weise sind auch immer Zettel durch die Schalllöcher zu sehen auf denen doch tatsache der Name steht. Die Geigen sehen optisch auch sehr alt aus aber dennoch in gutem spielbaren Zustand. Wie kann das aber sein das diese Geigen so ,,billig'' sein sollen. confused  Ich würde ja auch mal einen Link reinstellen oder die Artikelnummer von ebay anzeigen ( die braucht man dann bei ebay nur im Suchfeld einfügen und dann kommt der Artikel automatisch ) aber ich weiß nicht ob das in dem Forum erlaubt ist.

Über Antworten würde ich mich freuen, vielleicht hat ja doch schon mal jemand damit Erfahrung gemacht.

Grüße

Fanny

dok Profilseite von dok, 05.11.2012, 14:25:40

Hallo Fanny,

das wird hier öfter gefragt. Es gab wohl mal eine Zeit, in der zu Hauf Zettel mit hochklingenden Namen in Manufakturgeigen geklebt wurden, um deren Wert zu steigern. Die sind in der Regel nicht echt!

Bei Stradivari zb sind, soweit mir bekannt ist, alle Geigen registriert und bei fast allen deren Besitzer bekannt. Im entsperchenden Wikipedia-Artikel (http://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_Stradivari) findest du eine Tabelle der Geigen und ihrer Eigentümer.

Beste Grüße

Fanny6488 Profilseite von Fanny6488, 05.11.2012, 14:46:12

9 Wow, das ist ja richtig interessant.... also die Liste.

Ja ok... hab ich´s mir doch gedacht ! Na ja, dann sind die Geigen von Mathias Thier sicherlich auch nur Fälschungen. Aber schon ganz schön fies das manche Leute damit Geld machen. Und vorallem sehen die gefälschten Geigen auch optisch ansprechend aus. Aber wie kommt man denn an eine ,,alte'' Geige? Es muss jetzt keine Strad sein, aber es gibt sicherlich noch einige andere gute alte Wertvolle Geigen. Oder ?

dok Profilseite von dok, 05.11.2012, 14:48:16

Per se ist es ja auch völlig in Ordnung, für eine Geige Geld auszugeben, wenn sie gut klingt. Aber du siehst ja selbst an den Preisen von ein paar Hundert Euro, dass niemand diese Angebote wirklich ernst nimmt. Echte Stradivari sind ja da doch eher ein bisschen teuerer ;)

Basskind Profilseite von Basskind, 05.11.2012, 18:23:47

Hallo Fanny!

"Traue nichts weniger auf der Welt als einem Zettel in einem Streichinstrument!" (Meine Meinung.)

Man weiß ziemlich genau, welche Instrumente Stradivari gebaut hat und welche überlebt haben. Die letzte "Entdeckung" einer echten "neuen" Stradivari liegt tief im 19. Jahrhundert, die Wahrscheinlichkeit noch eine auf dem Dachboden zu finden ist also mehr als äußerst unwahrscheinlich. Es war halt lange Zeit üblich Zettel mit den Namen der berühmtesten Geigenbauer in einfache Instrumente zu kleben. Betrug? Man sollte das mit einem Augenzwinkern betrachten, etwa so wie eine "Ente" (Auto) mit Mercedesstern, sofern man sich noch einen Funken an Realitätssinn behalten hat.  

1958 gab es einen weltweiten Skandal, weil ein Ring von renommierten Geigenbauern, allen voran Henry Werro, gefälschte Zettel mit den Namen der berühmtesten Geigenbauer in einfachere Geigen klebte, aber Preise der Originalinstrumente abkassierte. Daraufhin wurde in der BRD sogar das Urheberrecht geändert, das Einkleben falscher Zettel ist seit 1959 Betrug und Urkundenfälschung, ältere Instrumente sind davon aber nicht betroffen. Der Nachweis wo und wann ein Zettel von wem eingeklebt wurde kann sich schwierig gestalten. Wie erkennt man dann eine echte Stradivari? An der Expertise, nicht am Instrument (durch "Normalsterbliche"), nicht am Klang(!) und erst recht nicht am Zettel. Aber die kann auch gefälscht sein... So wurden übrigens die "Stainers" und "Stradivaris" gebaut: http://www.kontrabassblog.de/?page_id=416  .

Wo nun die vielen alten Instrumente herkommen? Das wurde im Link beschrieben. Und dann ist es für einen Fälscher sehr einfach ein neues Instrument alt aussehen zu lassen, von UV-Licht Lampen über mechanische Bearbeitung bis hin zum starken Kaffee, den man in den Korpus kippt. Manche Kunden mögen solche Instrumente und zahlen dafür auch deutliche Aufpreise. Für den ersten Anschein ist das einfacher als eine Gemäldefälschung, bei genauerer Untersuchung (Dentrochronologie u.s.w.) fliegt so eine Sache aber auch auf, wenn eine Betrugsabsicht dahinter steht.  

Problematischer sind häufig Instrumente die zwar keinen ganz großen Namen tragen und für Normalsterbliche noch erschwinglich sind, die durch einen gefälschten Zettel aber doch gewaltig im Preis - aber nicht im Wert! - steigen. Oft gibt es aber Schlupflöcher, so steht in meiner Geige etwa "Oskar Glaesel 1934". Da war Oskar aber schon über 10 Jahre tot. Und erst kürzlich hatte ich einen Kontrabaß mit einem "Oskar Glaesel" Zettel in der Hand - Oskar hat aber nie Bässe gebaut. Oft hilft ein flüchtiger Blick in den Lütgendorff um solche... nennen wir es Tricksereien zu entlarven, die auch ein Laie entlarven mag.

Grüße

Thomas

 

 

 

Aranton Profilseite von Aranton, 05.11.2012, 19:02:36

Eine vor hundert Jahren in Böhmen hergestellte Geige ist, auch wenn ein falscher Stradivarizettel drin klebt, nach wie vor eine echte Geige, mit der man - o Wunder - echte Musik machen kann. Wenn ein solches Instrument zu einem dem Klang und der Verarbeitung entsprechendem Preis gehandelt wird, kann ich daran nichts fieses finden. Und wer als Käufer tatsächlich glaubt, die schwarze, abgerissene Kiste, die ihm für zehntausend Euro angeboten wird, sei eine echte Stradivari, ist ein Trottel und hat es nicht besser verdient.

Wer unbedingt ein altes Instrument erwerben möchte, kann - das entsprechende Kleingeld vorausgesetzt - auf Auktionen suchen. Es gibt aber auch Händler, die sich auf alte Instrumente spezialisiert haben. Aber letztlich bleiben bei so etwas immer Zweifel, ob man es nicht mit einer Fälschung zu tun hat und man teures Geld für einen Namen hinlegt, der mit dem Instrument in Wahrheit gar nichts zu tun hat. Schließlich können auch Expertisen irren, wenn sich die Geschichte eines Instrumentes nicht lückenlos nachweisen lässt.

Die Chance, dass eine billig verkaufte Geige sich als wertvolles, verschollenes Schätzchen entpuppt, halte ich für viel geringer als den gegenteiligen Fall; ein teuer gehandeltes Instrument, das sich als billige "Fälschung" entpuppt.

Ich habe den Eindruck, alte Geigen sind inzwischen mehr Spekulationsobjekte als Musikinstrumente sind. Das finde ich schade, denn in Tresoren versteckt oder in Vitrinen vor Staub sammelnd, ist auch die beste Geige nicht mehr als ein Stück totes Holz.

Geige Profilseite von Geige, 05.11.2012, 19:45:05
Vor einiger Zeit wurde bei Ebay eine CD mit Zetteln diverser Geigen - ich meine sogar mit dem Hinweis "Zum Nachbearbeiten" angeboten.
Wer sowas wohl kauft !?
Einige Resultate tummeln sich bestimmt be EBay herum. Meine Schwägerin hatte eine Bratsche bei Machold gekauft. Mit Zertifikat. Dummerweise stellte sich heraus, dass der Erbauer dieses Instrument post mortem gebaut haben musste. Machold nahm das Instrument (unter Einschaltung eines Anwalts) zurück.
Basskind Profilseite von Basskind, 06.11.2012, 11:27:53

Hallo Christian!

Um an Zettel zu kommen bedarf es keiner Ebay-CD für - ich glaube - 12,--  €, Quellen hierfür befinden sich genügend im Netz, eine Anleitung dazu gebe ich jetzt nicht.

Eine besonders perfide Art der Zettelfälschung ist die Verwendung von Originalzetteln von relativ preisgünstigen Originalinstrumenten in "Nachbauten". Kontrabässe der absoluten Spitzenklasse sind im Vergleich zu Spitzengeigen spottbillig, Auktionsergebnisse über 250.000,-- € sind für Bässe äußerst selten. Also nimmt man z.B. einen Amati-Zettel aus einem Originalbaß und klebt ihn in eine Geige. Verlust am Baß: 100.000 - 150.000,-- € für einen nunmehr nur noch "alten Italiener", dagegen steht ein Gewinn von mehreren Millionen bei der Geige, die nunmehr Amati heißt - aber keine ist. Das ist nicht nur kriminell, sondern auch eine Riesens..erei gegenüber einem Kulturgut und der Forschung. Ein Instrument wird so seiner Identität beraubt. N.B. Stradivari hat nachweislich 5 Bässe gebaut. Vielleicht existiert der eine oder andere noch ohne Zettel - und wird für immer unerkannt bleiben. Was für ein Verlust!

Am Rande: Der berühmteste Baß dürfte wohl der Karr-Koussevitzky-Baß mit einem Amati-Zettel aus dem Jahr 1611 sein. 1901 tauchte das Instrument aus dem Nichts auf, wurde v.a. von den beiden Virtuosen in den folgenden ca. 100 Jahren gespielt und schließlich von Gary Karr einem Museum gespendet. Resultat der Untersuchungen dort: Französisches Instrument um 1800. - Vor einiger durfte ich mal auf einem vergleichbaren Instrument (Frankreich, um 1800) spielen. Für mich persönlich das klangschönste Instrument, das ich bislang in Händen hatte. Preis unter Freunden: 25.000,- €, leider zuviel für mich. -  Merke: Nicht jeder alte Baß - und sei er noch so berühmt - mit Amati-Zettel ist einer. Wen wundert es! (Aber alleine der Name dürfte viele Menschen fasziniert haben.)

Grüße

Thomas

Basskind Profilseite von Basskind, 06.11.2012, 14:05:26

Noch ein nicht ganz unwichtiger Nachtrag zum Thema Bögen. Prinzipiell gilt hier das selbe wie für Instrumente, ich möchte hier mal nur ein Beispiel herausgreifen: Pfretzschner. Mal abgesehen davon, daß es aus DDR-Zeiten Pfretzschner-Bögen gibt, die "nicht ganz" die Qualität aufweisen, die man normalerweise mit diesen Bögen in Verbindung bringt, gibt es auch eine Hausmarke von GEWA, die sich phantasievoll F. C. Pfretzschner nennt. Das sind Bögen unbekannter Herkunft, die halt "ganz zufällig" den "sehr verbreiteten" Namen der berühmten Bogenbauerdynastie tragen. Das ist sogar legal. Also Augen auf auch beim Bogenkauf, besonders wenn sich in diesem Fall die Initialien nicht zweifelsfrei entziffern lassen! In den USA wurden auch Streichinstrumente mit dem Namen Pfretzschner hergestellt, die sind genauso "echt" wie die Ebay-Stradivaris, allerdings haben die Pfretzschners nie Instrumente gebaut...  

dok Profilseite von dok, 05.11.2012, 20:14:48

Solche Blanko-Zettel kenn ich in Form von Blanko-Papieren aus der Oldtimerszene, wo man scheinbar günstig Originalpapiere für sein Schätzchen selbst ausfüllen kann, sogar schon mit echtem Stempel drauf. Das ist allerdings Urkundenfälschung, zumindest im Fall der Oldtimer.

Fanny6488 Profilseite von Fanny6488, 06.11.2012, 08:15:27

Au Weia ...

Ich habe mich ja vorher noch gar nicht mit solch einem Thema beschäftigt.

Aber ich finds schon kurios eine ,,preisintensive Geige''  bei ebay zu ersteigern wo man doch gar nicht weiß wie sie sich anhört whatchutalkingabout_smile  Als ich meine gekauft habe, habe ich mehre zur Auswahl gehabt und der Geigenbauer bat mir auch an mehrere mitzunehmen zum ausprobieren. Na ja wie auch immer..... ein sehr interessantes Thema.... die CD von ebay - zum Geigen nachbauen - werde ich mir aber ersteigern um mein Gehalt aufzufrischen .... *spaß* 8f

Neuester Beitrag dok Profilseite von dok, 06.11.2012, 18:41:41

Da geb ich dir Recht, ich würde auch zum Geigenbauer gehen, wenn ich eine neue gute Geige kaufen möchte. Aber es gibt eben eine Menge Leute, die hoffen, bei ebay doch noch ein Schnäppchen zu schlagen und eine Millionen-Geige für ein paar Tausender zu bekommen.

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