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Uwe Profilseite von Uwe, 25.12.2011, 08:49:42
Tonholz

Hier ein Link auf einen Artikel aus der Frankfurter Rundschau, den ich (wieder einmal) Jonas Lohse verdanke. Ein sehr interessanter Artikel, den zu lesen überdies Spaß macht.

 

http://www.fr-online.de/panorama/musikinstrum ... 9-2011-12&utm_medium=email

 

Ich wünsche ein frohes Weihnachtsfest und ein endlich einmal friedliches neues Jahr.

 

Gruß, Uwe

Harald Profilseite von Harald, 25.12.2011, 11:17:36

Tolle Werbung - mehr ist es nicht.

Neben der Holzqualität sollte man im Instrumentenbau die fachgerechte Verarbeitung nicht vergessen. Es nutzt das beste Holz nichts, wenn Fehler gemacht werden.

Die langsam gewachsenen Hölzer aus den Hochregionen sind häufig die besten. Um so verwunderlicher, dass man die Hölzer aus dem Himalaya, die meistens bei den China-Geigen verbaut sind, mit einem anderen Auge betrachtet.

Uwe Profilseite von Uwe, 25.12.2011, 11:50:05

Könntest Du den allerletzten Satz vielleicht näher erläutern? mein Geigenbauer hat mir gegenüber mal erwähnt, daß die Chinesen im Himalaya die Fichten im Raubbau-Verfahren abholzen. Also was sagt das andere Auge?

Harald Profilseite von Harald, 26.12.2011, 14:12:53

Erstens ist das Holz aus Raubbau zunächst einmal nicht schlechter. Zweitens sind die Chinesen oder Mongolen nur halb so schlimm wie die sogeannte Industrienationen. Wo genau wird denn Raubbau betrieben?

Einige sind der Meinung, dass das Holz nicht an die Qualität von europäischen Hölzern heranreicht und dadurch die in China gefertigten Geigen alle schlecht sein müssen. - Das sind natürlich alles gute Europäer, die so etwas behaupten. Es dürften die gleichen sein, die die angeblichen Billigmodelle aus China importieren, in Mittenwald einmal mit einem Lappen drüber wischen und dann teuer als mittenwalder Geigen verkaufen.

Geige Profilseite von Geige, 27.12.2011, 11:21:29

Der Bericht in der Frankfurter Rundschau über Herrn Kreutzer ist ja in vorweihnachtlicher Romantik geschrieben. Von ein paar Besuchen her kenne ich ihn. Die Sortierung der Holzqualitäten erfolgt  überwiegend nach optischen Gesichtspunkten. Je tiefer und gleichmäßiger das Holz geflammt, desto teurer. Bei der Eintaxierung der Fichte spielt der gleichmäßige, langsame Wuchs und die Spaltrichtung eine entscheidende Rolle.

Wenn man sich jedoch z.B. die Stradivarigeige "Tullaye" von 1670 mit seinen 5 teils großen Astlöchern ansieht, so würde heutzutage solches Holz nicht einmal mehr in den Asienexport gelangen, sondern im Vorfelde aussortiert werden....

 Das einzige Guarneri del Gesu zugeschriebene Cello hat auf der Decke eine mittlere Jahresringbreite von über 1 cm. Vernab jeglicher Normwerte. Die Kunst des Geigenbauers ist es, solches Holz individuell zu bearbeiten. I.d.R. muss ein so weitjähriges Holz aufgrund der größeren Instabilität dicker gelassen werden.

Europäische Tonholzhändler exportieren viel nach Asien. Das aus Asien genommene Tonholz unterscheidet sich zum hiesigen. Erkenntlich meist an den rötlich, wie lange Markstrahlen aussehende Einlagerungen. Das aus den Himalayaregionen gewonnene Holz wirkt optisch etwas "schwammig". Ich bin mir hier nicht einmal sicher, ob das alles zur Gattung Ahorn gehört.

Welche Geige unter welchem Namen angeboten wird, ist ein anderes Thema. Das verhält sich wie bei dem norwegischem Wildlachs. In einem Fernsehbericht war es einmal zu sehen: Wenn in einem Wasserbassin in ausreichender Größe - mit original Ostseewasser befüllt -  Lachse gezüchtet werden, dürfen sie unter diesem Namen angeboten werden.  Es gibt hier sehr laxe Richtlinien, die die Herkunft wenig transparent machen.

Harald Profilseite von Harald, 27.12.2011, 12:47:30

Bei den Gitarren sagt man, dass die Decke den Klang bestimmt. Die Decke selbst ist in der Regel, neben Zeder, wie bei den Geigen aus Fichte. Tatsächlich haben nach meiner Beobachtung die unterschiedlichen Korpusmaterialien,wie z.B. Palisander, Ahorn, Mahagoni, usw., einen typischen materialabhängigen Klang. Besonders gut in den mittleren Lagen und im Bass zu hören. Nur für die Decken werden die feinjährigen Hölzer genommen. Mein Eindruck ist, dass die Decken zwar feinjährig aber nicht zu gleichmäßig sein sollten. Das ist nicht unbedingt exakt nach dem AAA Qualittäskriterium, wie die Holzhändler das gerne möchten. Damit entstehen "weiche" und "harte" Zonen und diese begünstigen das Schwingungsverhalten. Für den Bass die weichen und für die Höhen eher die härteren Bereiche. Da die Decke möglichst dünn sein soll, muss ein guter Kompromiss gefunden werden.

Diese Regel gilt m.E. auch im Geigenbau. Die Decken aus feinjähriger Fichte und entsprechend dünn gearbeitet. Der Korpus ist allerdings, so weit ich weiß, immer Ahorn. Der Boden ist nicht "auf Ton", sondern auf Stabilität geschnitten. Deshalb die durch den Schnittverlauf entstehende Flammung. - Liebe Geigenbauer, bitte korrigiert mich, wenn das so nicht stimmt.

Bei allen Instrumenten, die ich bislang gesehen habe, waren die Instrumente mit den älteren und gut abgelagerten Hölzer die besseren. Besser im Sinne von Obertonreich, gute Bässe und leichte Ansprache. Der Grund ist m.E. recht einfach: Altes, gut abgelagertes Holz hat eine geringere Riss- und Verzugseigenschaft und kann dünner gearbeitet werden. Daher ist die Lagerung und Trocknung genauso wichtig wie die Verarbeitung. Komischerweise ist die Lagerung teuer und 30 jahre altes Deckenmaterial hat den Preis einer guten Flasche Wein. Alleine das Holz kostet mehr als die meisten für das ganze Instrument ausgeben möchten.

Bei alten Instrumenten, die in der Regel besser klingen, habe ich folgende Theorie: Die Hölzer sind trocken und haben sich "eingeschwungen". Das innere Gefüge ist "gebrochen" bzw. die Harze haben sich gelöst. Das verbessert schlicht das Obertonsprektrum, die Ansprache und das Bassverhalten. So manches müde Teil, kann in 50 Jahren ganz anders erscheinen. - Ich erinnere an die Diskussion über den elektr. Tongenerator. Der macht genau das.

Was hat das ganze nun mit den Hölzern aus dem Himalaya zu tun? Die Fichtenarten sind aufgrund des langsamen Wachstums feinjährig. Gut abgelagertes Holz aus der Regionen ist daher genauso wertvoll wie das Holz aus dem Schwarzwald oder aus Kanada (Sitka-Fichten). Es gibt einige Werkstätten die Hölzer mit 15, was gar nicht so schlecht ist, und mehr Jahren Lagerung verwenden. Sie sind also nicht besser oder schlechter als aus Mittenwalder Werkstätten oder aus Holzlagerstätten im Sauerland. - Die Mittenwalder nenne ich hier mal stellvertretend für alle früheren Geigenbaugebiete. Das ist keine Abwertung. Heutzutage ist das ohnehin nur noch ein Mythos der aus ökonomischen Grunden aufrechterhalten wird. Die meisten Werkstätten mit den guten Namen existieren schon lange nicht mehr. Firmen wie z.B. Höfner lassen Größtenteils in Asien (vor-)fertigen. Nur die hochpreisigen Modelle werden in Deutschland zusammengebaut. Der Witz ist, dass die Modele baugleich sind und sich in erster Linie "nur" durch die Holzwahl, der Verarbeitung und dem Lack unterscheiden. Deshalb sind die Geigen aus den asiatischen Gebieten eben nicht grundsätzlich schlechter. Unter den relativ schnell zusammengebauten Modellen werden immer mal wieder Glückstreffer sein. - Es gibt natürlich auch richtige Meisterintrumente aus den Regionen. Der Preisunterschied zu anderen Nationen ist dann aber fast null.

Und welche Werkstatt bringt noch Geld und Geduld für Forschung auf? Etwas, dass die alten Werkstätten ausgezeichnet hat. Nur ganz wenige. Z.B. hat Yamaha vor ein paar Jahren erkannt, dass das Aushöhlen unterhalb vom Steg die Ansprache und den Ton verbessert und dies Werbewirksam kundgetan. Das das ein ziemlich alter Hut ist, braucht man ja nicht zu ewähnen. Der Rest baut nach bestehenden Vorlagen. Man sollte auch noch wissen, dass nicht die Holzhändler in der Regel die Lagerung von "Tonholz" machen, sondern die Werkstätten. Es gibt ein paar Holzhändler, die vor vielen Jahren mal angefangen haben, Hölzer einzulagern. Das sind nur wenige, da gar nicht so viel Tonholz benötigt wird. Mit ein Grund für die hohen Tonholzpreise. - Nochmal zu Erinnerung: Gutes Tonholz muss mind. 15 jahre liegen. Wer hatte vor 15 Jahren die tolle Idee, damit Geld verdienen zu wollen?

So, deshalb ist für mich der Zeitungsartikel nur Werbung - warum sollte auch sonst jemand soetwas schreiben. Die erwähnten Profi-Geiger spielen durchweg alte Intrumente und beschäftigen sich nicht weiter mit dem Geigenbau. Für einen solchen Spieler macht es gar keinen Sinn auf Frischholz zu schauen.

Übrigens: M.E. ist das Ahorn aus dem Himalya eine Ahorn-Art. Es werden keine Fremdholzarten verwendet. Weiß das jemand besser?

Geige Profilseite von Geige, 27.12.2011, 13:00:48

 Zu den weiteren allerdings im Geigenbau selten genommenen Holzsorten gehört Pappelholz und ein altes, hübsches Buchencello ist mir auch schon einmal untergekommen. Birnenholz findet man bei Schnecken.

Normalerweise legt man sich gleich zu beginn der Geigenbaulehre einen Holzvorrat an, um dann später sicher abgelagertes Holz zu haben. Zur Praxis einiger Tonholzhändlers (dazu zähle ich auch Kreutzer) gehört es, dass das Holz erst nach ein paar Jahren abverkauft wird. Da Kreutzer schon viele Jahre arbeitet (vermutlich kurz vor der Rente), musste er einmal ein Lagerbestand anschaffen.  Mit dem Abverkauf muss es dann so geregelt werden, dass für den Verkauf aus dem Lagerbestand heraus, neues Holz nachgeschafft werden muss. Dann funktioniert das auch. Die Firma Aubert hatte hier einmal Schwierigkeiten. Es wurde nicht vernünftig Holz nachgekauft. So kam es lange Zeit zu großen Lieferproblemen bei Cellostegen "de Luxe".  Hier sollte das Holz mindestens 10 Jahre liegen.

Zu den Auslandsproduktionen: Nicht nur Höfner lässt in Asien vorproduzieren. Firmen, die überwiegend maschinell in Deutschland produzierten, haben ihre Zulieferung nach Osten ausgelagert. Aus Kostengründen. Das betrifft nicht nur den Geigenbau....

Eine Ausarbeitung der Deckenstärke sollte immer im Zusammenhang mit der Holzfestigkeit stehen. Z.B. die Stradivari "Cathedral" hat im Zentrum der Decke eine Stärke teils unter 2mm! Das ist nur bei extrem festen Holz möglich. Eine Geige, die mit anderem Holz so gebaut würde, hätte vermutlich auch klanglich keine Chance.

Harald Profilseite von Harald, 27.12.2011, 13:28:19

Das sind sicherlich Einzelstücke und man findet mit Sicherheit noch mehr solcher Raritäten. Das jemand Birne verbaut habe ich noch nicht gehört. Allerdings bin ich auch kein Instrumentenbauer. Aber warum nicht? Das ist ein hartes Holz und für die Schnecke gut geeignet.

Pappel als Konstruktions-(Stütz-)Holz aber nicht für Decke oder Korpus, oder? Es ist m.E. viel zu weich für eine "tragende" Funktion. Dämpft vermutlich mehr als es zum Ton beiträgt.

So gesehen müssen wir natürlich noch Ebenholzs und Buchsbaum hinzu nehmen. Das sind aber keine Tonhölzer im eigentlichem Sinne. Ein Griffbrett (Ebenholz) aus einem weichem Holz macht einfach keinen Sinn. Bei den Wirbeln, den Kinnstützen und den Saitenhalter darf es dann doch etwas weicher sein (Buchsbaum).

Ist die Deckenstärke von 2 mm möglich weil es extrem fest ist oder extrem biegsam. Wenn es fest wäre, müsste es reißen. Aber vielleicht verstehe ich fest zu sehr als hart.  - Ist 2 mm wirklich so ungewöhnlich?

Hat Steiner die Decken nicht ebenfalls sehr dünn gemacht und dann eine hohe Wölbung eingebaut? Das ist m.E. der Grund warum die Dinger so feuchteempfindlich sind. - Unspielbar, aber schön

Wie hat Guaneri die Ansprache seiner Geigen auf das Niveau gebracht? Armati usw. haben n.m.K. keine besonderen Merkmale

Nun, ich weiß natürlich nicht genau wie die einzelnen Konstruktionsprinzipien sind, da ich kein Instrumentenbauer bin. Bitte korrigiert meine Aussagen, wenn die falsch sein sollten. Es sind ja auch mehr Fragen als Aussagen.

Neuester Beitrag Geige Profilseite von Geige, 27.12.2011, 13:52:47

Pappelholz geht durchaus bei Boden und Zargen. Es ist in der Tat etwas weicheres Holz und muss dementsprechend etwas stärker in der Ausarbeitung bleiben. Instrumente, die ich aus Pappelholz angespielt habe, hatten alle einen besonders runden & warmen Klang. 

Unter 2mm Deckenstärke sind tatsächlich sehr dünn. Normal sind es eher um 3mm. Es gibt unterschiedliche Ausarbeitungsmethoden der Decke.  Gleichstark über die Decke verteilt, oder in der Mitte dicker und zum Rand hin dünner werdend.  Letztere Art der Ausarbeitung bevorzugte auch del Gesu.  Bei den Stainerinstrumenten findet man eine ganz andere Form der Wölbung wieder, die sich dann wiederum auf die Gesamtkonstruktion auswirkt.

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