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Stalagmit Profilseite von Stalagmit, 22.11.2014, 23:31:15
Wert eines Streichinstruments

Hallo liebes Forum,

 

bisher war ich primär stiller Mitleser, habe jetzt allerdings doch einmal eine Frage. Es geht um die Frage des Preises bzw. der Wertes eines Streichinstruments.

 

Ich habe den Eindruck, so meine Erfahrung, dass die meisten Geigenbauer (zumindest die, die ich erlebt habe) das Instrument ansehen, schauen auf die Bauart, das Holz, etc. und fällen dann ihr Urteil. Der Klang kommt nicht zum tragen - der wird häufig noch nicht einmal "getestet".

 

Konkreter Anlass ist folgender:

Ich habe vor einiger Zeit ein "Experiment" gewagt und habe bei Ebay eine Bratsche gekauft. Es gab keinen Zettel, die Person habe sie wegen des tollen Klangs gekauft. Die Bratsche gefiel mir optisch sehr gut. Es handelte sich beim Verkäufer nicht um einen Händler. Der Käufer hatte bisher kein einziges Mal ein Muisinstrument verkauft. Da niemand die Bratsche hören kann, es keinen Zettel gibt und es sich nicht um einen Händler handelt (der in der Regel ein Mindestpreis o.ä. festlegt) habe ich es gewagt und die Bratsche gekauft im Wissen, dass sie entweder schön klingt, oder ich sie eben wieder bei Ebay reinsetze und (aufgrund der fehlenden Informationen, etc.) wahrscheinlich für einen ähnlichen Preis wiederverkaufen könnte. Das Instrument war lt. Angaben des Verkäufers von ihm selbst viele Jahre lang gespielt worden.

 

Nun gut - dann mal Klartext:

Bisher spielte ich eine Bratsche für 1700€, die ich beim Geigenbauer kaufte. Das Ebay-Stück kostete mich knapp 450€. Als ich die "neue" Bratsche meiner Lehrerin verführte (Viola/Violine in London studiert, Orchestermusikerin) war sie total angetan und sagte mir, dass sie vom Klang her sicherlich in einer Liga um die 5000€ spielen würde. Ich selbst war auch hin und weg vom Klang. Meine alte Bratsche klang dagegen wie eine "Blechbüchse".

In der Folge gab's noch verschiedene klangliche Vergleiche - Bratschen um die 2000€ vom Geigenbauer kamen nicht mal annährend an den Klang heran. In Bekannter von mir kaufte kürzlich eine Bratsche im Wert von 5500€ (laut Zertifikat; kam günstiger ran) und meine kommt dieser klanglich sehr nahe - ist vielleicht insgesamt vielleicht sogar noch etwas kraftvoller vom Klang.

 

Da der Klang für mich das wichtigste ist, war mir die Herkunft etc. bisher nicht wichtig. Dann erfuhr ich allerdings davon, dass es in meiner Umgebung von "Amati.com" einen Tag gab, an dem sein Instrument kostenlos schätzen lassen konnte. Der Mitarbeiter sah sich die Bratsche kurz an und sagte sinngemäß "Am ehesten aus Rumänien, nicht besonders alt, hat kaum einen Wert. 400€ sind ein guter Preis. Mit etwas Glück würde man das doppelte dafür bekommen".

Er spielte sie kein einziges Mal an - er sah sich wirklich nur "das Handwerk" an, der Klang des Instruments schien völlig irrelevant.

 

 

Jetzt zu meiner Kernfrage:

Was ist ein Streichinstrument wert? Was definiert den Wert? Für wen definiert es den Wert? Ich kenne einen ähnlichen Fall, in dem ein Instrument von Profimusikern auf 8000€ aufgrund des Klangs geschätzt wurde, welches aber vom Geigenbauer mit unter 2000€ beurteilt wurde.

Was ist also ausschlaggebend? Ist für den Musiker nicht einzig und allein der Klang wichtig? Was habe ich davon ein aufgrund der "Herstellung" sehr teures Instrument zu haben, was schon einige Jahre eingespielt ist und gut klingt, wenn ich auch ein "herstellungsmäßig" deutlich günstigeres Instrument zu besitzen, was ebenfalls schon über Jahre eingespielt ist und auch sehr gut, vielleicht sogar besser klingt?

Wie wichtig sind euch Werteinschätzungen eines Geigenbauers beim Kauf eines Instruments (damit meine ich explizit keine Schäden, Mängel, Defekte, etc. sondern lediglich Dinge wie Herkunft, Geigenbaumeister, etc.)? Oder ist für euch nur der Klang wirklich entscheidend, ob ihr es kauft oder nicht?

 

Ich bin auf eure Antworten sehr gespannt! (Und bin trotz des "neuen Wissens" um den vermeintlichen Wert immernoch verliebt in mein neues Instrumen).

Liebe Grüße,

Stalagmit

 

Aranton Profilseite von Aranton, 23.11.2014, 11:09:29

Jedwedes Ding ist wert, was der Käufer dafür zahlen will. Ist glaube ich von Adam Smith. Das gilt übrigens auch für Gutachten. Wenn man nichts dafür bezahlt, kann man keine besonders gründliche Betrachtung erwarten. Aber der Gutachter war recht dicht an dem dran, was Du bezahlt hast. Ganz schlecht war's also nicht...

Wer ein Instrument spielen will, bewertet es anders als jemand, der es sammeln will und Händler gehen wieder anders an die Sache ran. Deshalb ist es schwer "den" Wert einer Geige fest zumachen. Wenn einem der Klang wichtiger ist als Herkunft und Geschichte eines Instrumentes kann man ziemliche Schnäppchen machen. Wer dagegen meint unbedingt ein italienisches Instrument haben zu müssen, weil Amati, Guarneri und Stradivari Italiener waren, wird (zumindest in den meisten Fällen) fürs selbe Geld weniger Klang bekommen. Ich würde nicht so vorgehen, aber wenn andere meinen das tun zu müssen, ist es deren Sache. Aber da gibt es schon eine Menge, nicht immer rationaler, Vorurteile, aus denen sich erheblich Profit schlagen lässt.

Allerdings sollte man nicht vergessen, dass der Klang bis zu einem gewissen Grad Geschmackssache ist, und daher nur bedingt als objektives Bewertungskriterium taugt. Dass der Klang durch die Wahl der Saiten und die Einstellung der Stimme ziemlich verändert werden kann, vereinfacht die Bewertung des Klangs in Euro auch nicht gerade. Das ist wohl einer der Gründe, warum Händler sich eher an objektiveren Kriterien - wie Herkunft und Alter - orientieren.

asmahan Profilseite von asmahan, 23.11.2014, 12:32:51

Ich habe von einem  international im hohen Profi-Segment tätigen Händler und Experten ebenfalls die Auskunft, dass Provenienz, Erhaltungszustand, Massverhältnisse etc. im Handel wichtigere Kriterien sind als der - wie Aranton richtig schreibt - auch in einem gewissen Mass subjektiv gewertete Klang.

Eine entsprechende Erfahrung machte ich beim Kauf meines eigenen Instruments: Ich nahm - mehr aus Neugier, denn wann hat man sonst eine solche Gelegenheit - eine ziemlich teure Violine  zum Probespielen mit nach Hause, die ich nach kurzer Zeit schlicht nicht mehr hören konnte. Die Geige, die mein Herz gewann, hatte keine sichere Zuschreibung, obendrein waren wertmindernde und unsachgemässe "Nachbehandlungen" an Lack und f-Löchern vorgenommen worden - aber sie entsprach zu 150% meinem Klangideal. Und war einen grossen Happen günstiger.

Ohnehin bedarf es oft auch einer berufenen Hand, um einem Meisterinstrument wirklich sein Potenzial zu entlocken. Seien wir also froh, dass bescheidenere - im Idealfall auch dem Amateur entgegenkommende, dh. leicht ansprechende - Geigen und Bratschen existieren, die beglückend klingen und nicht die halbe Welt kosten.

Neuester Beitrag Aniras Profilseite von Aniras, 27.01.2015, 18:19:21

Ich finde eine gute Geige oder Bratsche kann man für 500 - 3000 Euro kaufen/ verkaufen.

 

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