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Andante Profilseite von , 17.12.2012, 22:55:15
Geige studieren?

Hallo liebe Violinen-Liebhaber!

Ich spiele seit ich 4 bin Geige und liebe dieses Instrument über alles (bin jetzt 18). Dass Leidenschaft alleine zu wenig ist, ist mir klar, deshalb würde ich gerne erfahren, ob es für mich eventuell völlig unrealistisch ist, ans Studieren zu denken.

Um zu erklären, warum mir das so wichtig ist, schildere ich besser einmal meine genaue Situation:
Ich durfte aus verschiedenen Umständen nie wirklich viel üben, dennoch konnte ich auch so mit den anderen mithalten. Einzuschätzen wie viel ich geübt habe, fällt mir ziemlich schwer, das geht von 1 mal die Woche 30min, Monate nichts, bis 2h täglich. In der Anfangsphase habe ich aber am meisten geübt.
Bei Vorspielstunden wurde ich auch von anderen Lehrern sehr gelobt. Vibrato, Stil/Ausdruck sind relativ ausgeprägt.
Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren aus der Musikschule raus. Zuletzt war ich in der Oberstufe, 1. Lernjahr glaub ich, meine Lehrerin meinte aber, das ich schon in dem Jahr meine Abschlussprüfung machen sollte. Das stand im Raum, weil ich sonst schulisch bedingt absolut wenig Zeit habe, was mich auch jetzt vom Üben abhält. Bei 47 Wochenstunden plus musste ich dann mit Herzschmerz aufhören.
Derzeit habe ich also keinen Unterricht und nach wie vor nicht alle Zeit der Welt. Theoretisch habe ich noch eineinhalb Jahre Schule, bewerbe mich auf Rat von Lehrern aber jetzt schon an Kunstunis (andere Kunstrichtung als Musik), was noch mehr Zeit raubt. Insgesamt fühle ich mich ziellos und ein bisschen in diese Richtung gedrängt, um zurück zum Hauptthema zu kommen, Violine studieren wäre für mich eine Option.
Allerdings habe ich dabei doch deutliche Bedenken, da ich in den letzten 4 Jahren die Violine doch recht weit ruhen lassen musste und eventuell technisch zu weit nachstehe und andererseits frage ich mich, ob Linkshändigkeit da zu einem Hindernis werden könnte (Ich spiele mit dem Bogen in der rechten Hand)

In letzter Zeit bzw dem letzten Jahr feile ich an meinem bisherigen Repertoire und lerne eher wenig Neues, da ich unsicher bin, ob ich wirklich so weit bin, dass ich mir neue Techniken selbst beibringen sollte. Ich spiele Stücke auf Level von Partita II von Bach, Doppelkonzert d-Moll von Bach, Dvorak Sonatine G-Moll op. 100 (besonders gern Indian lament :-)), Präludium und Allegro von Kreisler, Vivaldi Winter und die Vitali Ciaconna, die ja als "Show Off" Stück relativ geläufig ist. Ich habe mit diesem Stück selbst begonnen, um die vorkommenden, unterschiedlichen Techniken besser zu beherrschen, fühlte mich aber mit den letzten Seiten ehrlich gesagt überfordert (habe aber dennoch einiges dazu gelernt).

Ich habe die Angst, dass bei einem Geigenstudium eigentlich ganz andere Kaliber unterwegs sind und das Leistungsminimum nur knapp abzudecken stelle ich mir als ehrgeiziger Mensch tödlich vor.
Ich freue mich über eure Meinungen, geistigen "Zurechtweisungen" oder auch Tipps und Anregungen für lehrreiche Stücke im "Selbststudium"!

Liebe Grüße (und sry dass es so ein Roman geworden ist!)

Andante

Sue Profilseite von Sue, 17.12.2012, 23:15:20

Soviel ich weiß, nehmen Musikhochschulenen einen sowieso nur, wenn man den Aufnahmetest besteht.

 

Daher würde ich einfach mal einen Test machen und wenn du ihn bestehst, bist du wohl gut genug ;)

Basskind Profilseite von Basskind, 18.12.2012, 12:35:38

Hallo Andante!

Wie Sue schon geschrieben hat: Am Anfang steht die Aufnahmeprüfung und die gehört zu den höchsten Hürden in einem Musikerleben. Darüber solltest Du Dich genau informieren, an vielen Hochschulen werden Vorbereitungskurse dafür angeboten - man sollte nicht nur ganz ordentlich sein Instrument beherrschen, sondern es wird auch viel Wert auf Gehörbildung, Vom-Blatt Singen etc. gelegt. Von Deinem Klavierspiel hast Du noch gar nicht geschrieben, das brauchst Du nämlich auch. Und später? Zumal als Linkshänderin? Ich empfehle immer folgenden Artikel zu einem Instrument, zu dem es oft noch heißt: "Damit käme man immer unter." (?????)  http://www.zeit.de/2011/08/DOS-Musik-Orchester-Probespiel

Kunst als Beruf? 1993 waren 81.000 erwerbsmäßig tätige Künster in der BRD gemeldet, 2008 waren es 180.000, wundersame Vermehrung aber ohne, daß der Markt größer geworden wäre. Derzeit studieren 97.500 Studenten an Kunstakademien, dazu zehntausende angehende Grafiker, Designer u.s.w. die in den nächsten Jahren auf den Markt drängen. Wovon sie alle leben werden? Ich weiß es nicht! In meinem Vorstellungtsthread  habe ich ja angedeuted, daß ich in in diesem Bereich zu tun habe und deshalb einiges in dieser Gesellschaft mit großer Verwunderung betrachte. Wie verantwortungsvolle (?) Lehrer (gut, die haben ihren Beamtenstatus und wieviel mehr (!) z.B. ein Studiendirektor als ein Kunstprofessor mit einer C4-Stelle verdient kann man googeln) solche Empfehlungen geben können wird mir immer unerklärlich sein. Wenn jemand schön zeichnen kann - nett, mehr aber auch nicht. Der Markt möchte anscheinend lieber verwesende Tierkadaver eines Damien Hirst - aber das ist eine andere Geschichte.

Immer "schön" für angehende Künstler zu lesen: Die Statistiken der KSK (Künstler Sozialkasse).

Empfehlungen kann ich Dir keine geben, nur ein paar Denkanstöße.

Grüße

Thomas

Andante Profilseite von , 18.12.2012, 23:44:50

Hallo Basskind!

Da du zu dem Thema Kunst als Beruf, das ich absichtlich nur am Rand erwähnt habe, mehr geschrieben hast, als zu meiner eigentlichen Frage, obwohl du meine Umstände nicht kennst, gehe ich darauf auch zuerst ein. Genau genommen kannst du aus meiner Information nicht wissen, in welchem Kunstbereich ich tätig bin und ein gelernter Goldschmied in einem Familienbetrieb hätte weit weniger berufliches Risiko, als ein freischaffender Künstler. Weder kenne ich die Hintergründe deines Standpunktes genauer, weshalb ich darauf nur aus allgemeiner Sicht herangehen kann.
Schön zeichnen zu können ist für einen Gymnasiasten wohl etwas anderes, als für jemanden, der eine Diplomarbeit im Bereich Grafik und Kommunikationsdesign schreibt, 5 Jahre an einer angesehenen fachspezifischen Schule, die ebenfalls Aufnahmeprüfungen erfordert, verbracht hat und auch dort klare Erfolge hat. (Es ist komisch, aber viele Menschen trauen ihrem Haustier eher "übersinnliche Fähigkeiten" zu, als ihren normalen Mitmenschen… Nur als allgemeine Feststellung ohne Bezug.)
Außerdem gehen viele der angehenden "Künstler" auch in den Bereich der Kunstpädagogik, der Ihnen ein zweites Standbein liefert (was ich aus persönlichen Gründen nicht will.) Sieh dich um und du wirst feststellen, du bist von Design umzingelt. Der Bedarf ist da und wer Fähigkeiten auf einem bestimmten Niveau hat, muss im Normalfall nicht hungrig vor sich hin zittern. Im Falle eines Krieges, wäre das natürlich etwas anderes, allerdings beträfe das auch diverse andere Berufsschienen. Die Statistiken sind mir in etwa bekannt (mal außen vor gelassen, dass ich nicht in Deutschland lebe) es sollte aber auch gesagt sein, dass Kunst eine der Sparten ist, in der man keinerlei Ausbildung braucht, um sie auszuüben. Ein Arzt muss eben studieren, aber als Grafiker bezeichnet sich schnell einmal einer. Nja, wenn du zum Beispiel nach St. Petersburg an die Universitäten schaust, bleibt fraglich, ob und wie lange die Kunst noch in die Richtung geht, wie sie es momentan tut (Auch die alte Schule existiert noch in feiner Ausführung). Dass man sich an einen Damian Hirst nur so lange erinnern wird wie die Börse mitspielt, ist möglich. Abgesehen davon ist auch ein Gerhard Richter im Ranking ziemlich weit oben, der wohl etwas von Grund auf Anderes verfolgt.

Um endlich wieder auf das Thema Musik zurück zu kommen: Da ich in den vergangenen Jahren doch sehr intensiv mit bildender Kunst gearbeitet habe, habe ich mich wohl etwas zu sehr in die Musik geflüchtet, da mir die Welt der sogenannten "Künstler" auch etwas zu befremdlich war, dennoch nach etwas gesucht habe, wo ich weiterhin kreativ sein darf. Mir ging es darum herauszufinden, ob ich den Hauch einer Chance habe, nach dem Motto lieber gleich weinen statt später. Klavierkenntnisse habe ich keine. Wie hoch sind da die Anforderungen?
Der Link war interessant zu lesen. Der große Ansturm, mit dem sich teilweise um einen Orchesterplatz "geprügelt" wird, ist mir auch bekannt. Dennoch habe ich auch Bekannte/Verwandte, die es geschafft haben von der Musik leben zu können (Platz bei Philharmonikern/Pianisten), trotz "überlaufener" Instrumente. Meiner Meinung nach ist es völlig falsch absichtlich ein Instrument, für das man nicht die höchste Leidenschaft mitbringt zu wählen, trotzdem man natürlich für alles Freude entwickeln kann. (obwohl man sich das ja bekanntlich meistens nicht aussuchen kann, da Anfangsalter ja auch eine Rolle spielen.)

Natürlich denke ich über die Zukunft nach, deinem Text Zufolge hast du gar keine Vorstellung davon, in welchem Ausmaß ich das tue. Wenn ich nicht zweifeln würde, hätte ich wohl kaum erwähnt, dass ich Linkshänder bin, was auch ein großer Sorgenpunkt meinerseits wäre. (warum nimmst du eigentlich an, ich wäre weiblich?)
Geigenlehrer zu sein fände ich für mich persönlich übrigens um einiges interessanter als Kunstlehrer zu sein (da man nicht sagen kann, wie es in Zukunft mit den Förderungen von Musikschulen steht, ist das auch nicht gerade die rosigste Aussicht, ist mir klar).
Dass Musikalität gefragt ist, ist ohnehin einleuchtend. Sich zwischen Kunst und Musik zu entscheiden ist ein wahrer Alptraum für mich :-( Vor allem weil ich mir öfter denke, der Zug für Musik wäre eigentlich schon abgefahren und für mich als Linkshänder sowieso. Ich kann leider nichts anderes anbieten als meinen Ehrgeiz und mein bisheriges Können bzw Musikalität.

Ich denke ich werde wieder an die Musikschule gehen, weil die Beurteilungsfähigkeit online doch recht eingeschränkt ist.

Denkanstöße sind es mMn erst, wenn ein Signal zur Information wird. Bei bekannten Fakten kann ich leider nicht wirklich von einer Information sprechen, aber trotzdem Danke, für deine ehrliche Meinung.

Wenn du irgendwelche näheren Erfahrungen zu linkshändigen Streichern hast (da du dich ja darüber geäußert hast) würde mich das interessieren.

Liebe Grüße

sofie Profilseite von sofie, 19.12.2012, 08:30:24

@andante: Ich bin ein linkshändiger Streicher und kann sehr gut nur von der Musik leben, trotzdem würde ich fast jedem, der nicht schon sehr früh sehr gut gefördert wurde davon abraten Geige zu studieren... und zwar alleine wegen der Arbeitsmarktsituation, die ja sicher nicht besser wird. Man kann ja bei einer anderen Berufwahl immer noch das Geigen als Hobby betreiben. 

Du schreibst selber, dass man online einen anderen nur sehr beschränkt beurteilen kann, deshalb ist es sicher sehr sinnvoll jemand kompetenten zu fragen ob er der Meinung ist DU könntest es schaffen. Dazu gehst man am besten direkt zu einem Prof. an der Hochschule. Er kennt die aktuellen Hürden der Aufnahmeprüfung und weiß auch wie stark die Konkurrenz ist.  Außerdem empfinde ich die Aufnahmeprüfung noch als die kleinste Hürde. Wenn Du immer sehr wenig geübt hast, dann musst Du ganz sicher, egal wie musikalisch und technisch begabt, sehr viel Repertoire "aufholen" und paralell dazu weiterlernen. Ein Großteil der Konkurrenz hat das gängige Repertoire nämlich schon lange vorher mal wenigstens oberflächlich gelernt.

Als Geigenlehrer ist es vielleicht nicht ganz so wichtig wirklich alle großen Konzerte wenigstens mal in den Fingern gehabt zu haben, dafür braucht es dann andere Qualitäten. Kannst Du gut mit Kindern jeden Alters umgehen? Findest Du die richtige Ansprache? Weißt Du was folgerichtig aufeinander aufbaut und siehst Du auch sofort woran es hapert wenn ein anderer spielt? Didaktik und Methodik kann man lernen, das Gepür für Kinder und auch einen guten Umgang nur sehr beschränkt.

Ich würde an Deiner Stelle auf jeden Fall mal auf einen int. Meisterkurs gehen und dort schauen wie die Konkurrenz spielt und auch ob Du dort mithalten kannst. Dann würde ich auf jeden Fall bei mind. einem Prof. vorspielen und ihm um seinen Rat fragen. Klassenabende an der Wunschhochschule können auch sehr informativ sein.

Wegen des Klavierspielens würde ich mir keine allzu großen Gedanken machen und einfach damit mit der klaren Zielvorgabe "Aufnahmeprüfung im Nebenfach" anfangen. Mich hat es 6 Monate mit 30 Min. tägl. Übens gekostet um zu bestehen.  Ich weiß von einigen anderen, die wie ich voll auf die Geige gesetzt haben und auch nur 6 Monate vor der Prüfung mit der Vorbereitung der Pflichtfächer angefangen haben.

Kritisch ist eher die Geige... Begabung hin oder her, die von Dir genannten Werke haben alle "Mittelstufenniveau", für die Aufnahmeprüfung braucht es da deutlich mehr.  Du schreibst auch, Du wolltest Dir keine "neuen Techniken" selber beibringen. Daraus schließe ich, dass es noch Techniken gäbe, die Du noch nicht beherrscht und auch, dass Du ganz ohne Lehrer unterwegs bist. Falls Du es wirklich versuchen wolltest, dann solltest Du klugerweiseversuchen sofort bei einem guten Prof. Unterricht zu bekommen und "wie besessen" üben... ob es dann zu schaffen ist, wird Dir so allerdings keiner sagen können. Vielleicht bist Du ja die Ausnahme von der Regen, aber damit würde ich lieber nicht rechnen...

Neuester Beitrag rudiratlos Profilseite von rudiratlos, 20.12.2012, 18:58:49

Zu den höchsten Hürden in einem Musikerleben gehört nicht die bestandene Aufnahmeprüfung an einer renommierten Musikhochschule(ca 10-15% der Probanden schaffen auch nur diese Aufnahmeprüfung).

Das wirkliche Drama kommt erst nach Beendigung des Musikstudiums:Hochqualifizierte Musiker,die sich dem gnadenlosen Existenzkampf um eine Festanstellung in einem Profiorchester stellen müssen(Probespiel!!!).In kleineren Orchestern bewerben sich ca.100 Spitzenmusiker um eine freie Stelle,bei grossen Orchestern können es auch schon 500 Bewerber aus der ganzen Welt um eine freie Stelle sein.

Anhand deiner Kurzvorstellung halte ich es für ausgeschlossen,dass Du auch nur eine Aufnehmeprüfung als Konzertgeiger an einer deutschen oder österreichischen Musikhochschule bestehst.

Solltest Du mit einem Schulmusikstudium liebäugeln,wären die Chancen in jedem Fall besser,das Instrumentalkönnen ist hier nur ein wichtiger Teil unter mehreren anderen(z.B Pädagogik ).

Vielleicht kann ich so etwas bei Deiner Berufswahl helfen und Dir Enttäuschungen ersparen.

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