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Erich Künzel "Anatomie des Geigenspiels" - wer kennt es?

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andmars Profilseite von andmars, 29.05.2018, 11:52:50
Erich Künzel "Anatomie des Geigenspiels" - wer kennt es?

Hallo,

ich spiele seit einem halben Jahr Geige (davor 25 Jahre Gitarre) und bin durch Zufall auf das Buch von Erich Künzel "Anatomie des Geigenspiels" aufmerksam geworden.

 

Jetzt bin ich überrascht, weil ich im Internet nichts zu Erich Künzel und dieser Studie finde, außer das Buch auf Amazon. Auch hier in diesem Forum habe ich nichts dazu gefunden. Ich hatte gedacht, dass es vielleicht irgendwo diskutiert wurde.

 

Künzels These lautet, dass 70% der Berufsgeiger gesundheitliche Schäden durch das Geigenspiel davontragen und viele Dauerpatienten bei ihrem Arzt sind. Als Ursache nennt er die "klassische" Haltung, die praktisch heute noch gelehrt wird und nach der alle Profis spielen. Ich habe mir dazu auf YouTube Videos von aktuellen Profis (Janine Jansen, Sarah Chang, etc.) aber auch Legenden wie Menuhin und Co. angesehen. Auch verschiedene Master-Classes von noch nicht so bekannten Geigern. Sie alle spielen nach der "klassischen" Haltung, das heißt, Kopf und Hals mehr oder weniger stark verdreh, Bogenhand am Frosch stark gebeugt, Geigenhand gebeugt, Ellenbogen eingedreht.

 

Erich Künzel stellt auch alle bisherigen Aussagen berühmter Geigenschulen in Frage. Aussagen wie: "Die Finger sollen wie Hämmerchen auf das Griffbrett klopfen". Er bezieht große Lehrer mit ein. So z.B. Galamian, der ja der Meinung war, dass sich eine natürliche Haltung von selbst einstellt und der Schüler nach seinem Gefühl gehen soll. Künzel hält dagegen, wenn es so natürlich möglich wäre, hätten wir nicht so viele Geigerschäden.

 

Ich experimentiere gerade mit dem was Künzel die "anatomisch richtige" Haltung nennt. Das bedeutet:

 

- normale, aufrechte, gerade Körperhaltung: keine Drehung der Wirbelsäule

- Geige nach links gerichtet. Kinn bzw. Unterkiefer liegt links vom Saitenhalter der Geige im Kinnhalter bei gerade gehaltenem Kopf

- offene Geigenhand die leicht handrückwärts überstreckt ist

- Bogenhand liegt tief und ist ebenfalls leicht handrückwärts überstreckt und der Ellenbogen (auch wenn es verpönt ist) ist angehoben

 

Und für mich sehr interessand die sog. Greiftaststellung der Finger. Er vergleicht das mit dem Aufheben eines Bleistifts. Da heben wir den Stift ja auch mit den weichen Fingerbeeren auf. Genauso wird der Bogen gehalten, also nicht mit der Daumenspitze unter der Bogenstange, sondern mit dem weichen Teil gegenüber des Nagels. Auch Mittel- und Ringfinger liegen mit den Fingerbeeren an der Bogenstange und nicht wie sonst mit den Rillen des ersten Fingergelenks. Gespielt wird ebenfalls mit den Fingerbeeren. So ist der Körper nur geringfügig verspannt und kann lange ermüdungsfrei spielen.

 

Ich finde die Ausführungen von Erich Künzel mega interessant und stelle fest, dass seine Studie anscheinend überhaupt keine Beachtung in der Geigenwelt gefunden hat.

 

Vielleicht kennen einige von euch ja sein Buch und haben damit Erfahrungen gemacht. Würde mich gerne mit euch darüber austauschen und vielleicht bekommt der eine oder andere ja Lust, sich mit dem Konzept der "anatomisch richtigen" Geigenhaltung zu beschäftigen.

 

Andreas

asmahan Profilseite von asmahan, 29.05.2018, 18:04:40

Tönt jedenfalls spannend. Als notorischer Krampfballen habe ich den Titel gleich geordert - danke für den Tip! 

Dictys Profilseite von Dictys, 30.05.2018, 15:26:18

Schade, dass kein Interesse an das Buch und an eine Diskussion / Austausch hier besteht, hätte mich auch sehr interessiert, was Erfahrene hierüber zu berichten haben.

Bratsche_13 Profilseite von Bratsche_13, 30.05.2018, 15:50:23

Danke für den Hinweis auch von mir, andmars. Ich habe mir das Buch auch gerade bestellt; gibt's sogar in der Bücherei.

@Dictys: Mein Eindruck ist nicht, dass hier kein Interesse an dem Thema des Buchs besteht. Vielleicht gibt es nur noch keine Leute mit Erfahrungen dazu.
Aber das kann sich ja jetzt ändern. :)

andmars Profilseite von andmars, 30.05.2018, 17:38:38

Also eine Veränderung habe ich durch die Lektüre von Künzel schon vorgenommen. Ich spiele mit der KUN Original Schulterstütze. Die wurde mit Fußteilen 1,5cm und 2,2cm geliefert. Jetzt habe ich mir exta die 3,5cm dazubestellt. Die 2,2cm an das kurze Ende und die 3,5cm an das lange Ende geschraubt. Da ich einen relativ langen Hals habe ist dadurch die Geige deutlich höher und ich muss das Kinn nur wenig absenken.

 

Davor lag das Kinn so weit abgesenkt, dass sich mein Unterkiefer verspannt hat und ich beim Spielen unbewusst die Zähne aufeinander gebissen und anchmal auch die untere Zahnreihe gegen die obere geschoben habe. Jetzt spiele ich deutlich entspannter im Kiefer.

 

Außerdem habe ich noch etwas mehr Kork unter den Kinnhalter gepackt, was ebenfalls einen halben Zentimeter an Höhe bringt. Die Schnecke lasse ich etwas absinken, sodass durch die Schulterstütze ein Hebel entsteht und die Geige nur durch das Gewicht des Kopfes unter dem Kinn gehalten wird, ohne, dass die Hand die Geige halten muss.

Vetti Profilseite von Vetti, 30.05.2018, 19:58:06

imageDazu möchte ich auch etwas beitragen. Ich habe auf Rat meiner Geigenlehrerin den Kreddle Kinnhalter bestellt. Dieser kommt mit drei verschieden hohen "Füßchen" und lässt sich in jede erdenkliche Position einstellen. Damit ist bei mir der Kinnhalter jetzt gute zwei Zentimeter höher als vorher, die Schulterstütze konnte ich um einiges niedriger eintellen, so dass nun mein linker Arm viiiiel entspannter ist, da die Geige einfach nicht mehr so hoch oben gehalten werden muss. 

Über einschlägige Onlineversandhäuser ist dieser Kinnhalter leider nicht zu beziehen, ich habe direkt auf der Herstellerseite aus den USA bestellt, war zwei Wochen später da. Mit meiner Lehrerin zusammen hat die Montage und Anpassung keine fünf Minuten gedauert. 

Ich habe Fotos gemacht und versuche, die hier einzustellen, ansonsten einfach mal unter "Kreddle chin rest" googlen :)

 

 

ok, das mit den Fotos hat mal nicht funkrioniert...
 

Neuester Beitrag asmahan Profilseite von asmahan, 30.05.2018, 20:49:37

Ich habe, da ebenfalls zu den Langhälsen gehörig, den Kreddle auch ausprobiert. Das Konzept ist gut, aber für mich war das sehr flach modellierte Kinnteil nicht wirklich bequem – das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich nicht so gut gepolstert bin. Bis jetzt bin ich nach diversen Experimenten immer wieder bei der Wolf Secondo und dem längeren Teka-Kinnhalter, der etwas über den Saitenhalter reicht, gelandet. Diese Kombi, mit einigen kleinen Drehs an der Stütze (die ich auch gemacht habe), wird hier im Detail beschrieben:

 

https://www.youtube.com/watch?v=gtPp9EF_jys

 

Vielleicht nützt die Info jemandem... aber nicht alle mögen die Wolf, ich weiss. Es gibt schönere Dinge auf der Welt, aber auch noch schlimmere.

 

 

 

 

 

 

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