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Seite 1 - 2Hallo zusammen!
Ich habe dieses Thema mal geschrieben, weil mich selber das lange Zeit beschäftigt hat und mich interessiert ob ihr mit einer Schulterstütze oder ohne spielt. Und wie es dazu kam...
Es sind schätzungsweise 98% der Leute aus meinem Bekanntenkreis, die mit Schulterstütze spielen. In der Barockszene mag das anders aussehen.
Wer sich für das puristische Spielen ohne Stütze entscheidet, darf vor allem nicht in den Fehler verfallen, die linke Schulter hochzuziehen. Das Lagenwechselspiel muss locker bleiben und das ist glaube ich nicht einfach. Damit das alles funktioniert, müssen wahrscheinlich auch die anatomischen Voraussetzungen stimmen. Da muss ich an den Ausspruch meiner ehem. Geigenprofessorin denken, die bei David Oistrach studierte und zu seinem Spiel ohne Stütze meinte: "Der konnte seine Geige einfach ins Fett klemmen, bei uns geht das nicht". Damit war das Thema ihrerseits abgehakt. Dieser drastische Ausspruch stimmt nicht ganz, denn in der Barockszene kann man zierliche Musiker beobachten, die eine enorme Bewegungsfreiheit an den Tag legen. Das muss aber wirklich explizid erlernt werden. Wer hier etwas falsch macht, bekommt wahrscheinlich deutlich schneller Rückenprobleme.
Ich spiele mit Schulterstütze und kann mir kaum vorstellen, ohne zu spielen. Meine erste Schulterstütze hatte eine relativ glatte Auflagefläche und keine In-Sich-Verdrehung zum Anschmiegen, erst durch eine neue Schulterstütze lösten sich die Probleme. Ohne wäre das Spielen eine ziemlich rutschige Sache, man müsste ständig mit der linken Hand mitstützen oder besonders die Kinnauflage forcieren. Mit Schulterstütze kann ich während des Spiels auch mal das Kinn vom Kinnhalter heben und dadurch entspannen bzw. durch Kopfbewegungen Ausgleich schaffen.
Letztendlich kommt es sicher auch darauf an, was man spielen möchte, wenn man nur Barockliteratur mit ihrer "beschränkten" Technik spielen möchte, ist das was anderes, als wenn man begeisterter Paganini-Fan ist und auch sonst "experimentell" alle Möglichkeiten der Geige nutzen will.
Auch lassen sich durch die Wahl der Schulterstütze bestimmte Haltungsmängel beheben, z. B. das Abrutschen nach vorne/unten durch eine" Einhakung" an der Schulter.
Zitat Bea:
....wenn man nur Barockliteratur mit ihrer "beschränkten" Technik spielen möchte, ist das was anderes, als wenn man begeisterter Paganini-Fan ist....
Virtuose Literatur gibt es auch in der barocken Aufführungspraxis und was meinst du mit "beschränkter" Technik ?
Fabio Biondi nutzt hier vielleicht ein Tuch mit "Stoppersockenprofil", was ein abgleiten der Geige verhindert. Andere spielen ganz ohne....
Ganz ohne Schulterstützersatzmittel bei z.B. romantischer Literatur kann nur spielen, wer eine moderne Kinnstütze benutzt und einen kurzen Hals und keine abfallenden Schultern hat. Gegen das Abrutschen hilft auch nackige Haut, Mutter z.B. sieht man nur schulterfrei geigen und sie hat alle oben aufgeführten Eigenschaften. Außerdem ein bisschen zieht sie meines Erachtens trotzdem die Schulter nach oben.
Barocke stilechte Spielweise ist aus heutiger Sicht beschränkt, da weder in höchsten Lagen gespielt wird, noch der Bogen mit Bogendruck gespielt wird (martéle, staccato). Wenn heute jemand Bach romantisch spielt, so ist das nicht barock. (auch wenn es natürlich sehr schön sein kann)
Zitat Bea:
"Barocke stilechte Spielweise ist aus heutiger Sicht beschränkt, da weder in höchsten Lagen gespielt wird, noch der Bogen mit Bogendruck gespielt wird (martéle, staccato)."
Hier täuschst du dich. Martele, wie auch staccato gibt's. Sieh Dir einmal die obige Aufnahme mit Biondi an, da geht es auch oberhalb der 4.Lage zur Sache. Ich glaube, das brauchen wir nicht weiter zu vertiefen.
Natürlich bin ich keine Barockfachfrau, aber ich meine doch von einer Barockliebhaberin gelesen zu haben, martélé gibt es nicht und damit kein (Aufstrich-)Staccato. Auch wäre die barocke Bogenhandhaltung ziemlich "unoptimal". Wenn barocke Literatur trotzdem in höchsten Lagen (damit meine ich natürlich das Ende des Griffbrettes und nicht relativ harmlose 7. Lage z.B.) gespielt wird, wird nicht "historisch informiert" gespielt. Das es einzelne Experimentierfreudige gegeben haben mag, die dann sicher auch an neuer, anderer Bogenhandhaltung getüfftelt haben, ist natürlich unbestritten, diese waren aber Vorreiter neuer Techniken, die heute nicht als Barock eingestuft werden. Sollte ich mich zu weit aus dem Fenster lehnen, bitte ich um Korrektur, schließlichlich lernt man nie aus.
Ich glaube die Diskussion geht insofern aneinander vorbei, dass auf der einen Seite die barocke Spielweise, wie sie auch noch bei Paganini anzutreffen ist, gemeint ist - siehe www.classicalmusicblog.com/uploaded_images/paganini.jpg und auf der anderen Seite die rein barocke Literatur, die noch nicht diese extreme Virtuosität einem Musiker abverlangt.
Da die Diskussion sich eher auf die barocke Spielweise (ohne Schulterstütze und barocke Bauweise der Instrumente) bezieht, sollte das somit glaube ich geklärt sein.
Letztendlich ging es doch um die Frage "mit oder ohne".
Wenn ich mal zusammenfassen darf: Wir haben festgestellt, dass die Schulterstütze in den meisten Fällen die Spielhaltung verbessert, damit der Spiel-Ergnomomie förderlich ist und indirekt insbesondere die extremen Lagenwechsel einfacher fallen.
Das heisst aber nicht, dass man eine Schulterstütze braucht. Wer lange genug übt, wird auch ohne die Schulterstütze sein Ziel erreichen. Oder etwa nicht?
In den meisten Abbildungen ohne Schulterstütze wird das Instrument nicht "eingeklemmt", wie bereits häufig genannt, sondern liegt locker auf Schulter/Schlüsselbein auf. Hierin sehe ich die Schwierigkeit: Bei Lagenwechsel nach unten (Richtung Schnecke) muss die Stütze der linken Hand und das "Klemmen" von Daumen, erstes Zeigefingergelenk und Ballen auf ein Minimum reduziert werden. Sonst zieht man das Instrument von der Schulter. Beim Lagenwechsel ist also zusätzlich ein leichter Druck mit Kopf/Kinn/Halsansatz auszuüben, um den Reibungswiderstand zu erhöhen. Das ist kein Klemmen, im klemmendem Sinne.
Ich hatte bereits geschrieben, dass der moderne Mensch m.E. in vielen Fällen nicht Hinterfragt und vorhandene Dinge einfach übernimmt. So ähnlich ist das vermutlich auch bei der Schulterstütze. Andererseits spielen fast alle mit und nur einige "historisch Informierten" versuchen es teilweise ohne. Spricht die Masse in diesem Fall nicht eine eindeutige "Sprache" bzw. hat die Stütze nicht doch Vorteile und man sollte auf die Vorteile nicht verzichten? Die Interpretation, ob Renaissance oder Barock, wird kaum automatisch besser, wenn man ohne Schulterstütze spielt. Es sieht informierter aus. Ob das ein Vorteil ist?
Wenn es in der Barockzeit Stützen gegeben hätte, würden vermutlich viele Musiker in dieser Zeit schon zu dieser bequemen Krücke gegriffen haben.
Ich bin mir da gar nicht so sicher. Die Menschen damals hatten eine gewisse "natürliche" Intelligenz. - Hiermit meine ich nicht die Intelligenz zur Lösung von mathematischen Formeln - Wenn es damals ein ergonomisches Problem gegeben hätte, dann hätte man auch nach einer Lösung gesucht. Das ist offensichtlich nicht passiert. Mein Rückschluss: Es gab kein Problem.
Ich denke nicht, dass die Menschen früher eine "andere Form von Intelligenz" gepflegt haben als heute. Sie haben sich vielen Dingen anders angenähert, als wir das heute tun. Wo wir ein Problem sehen, für das wir Lösung finden müssen, haben die Menschen im Barock eher göttlich bestimmtes Schicksal gesehen, das der Mensch ohnehin nicht ändern kann. Deshalb haben sie Absolutismus, Kriege, Hungersnöte, horrende Kindersterblichkeit und viele andere Missstände ihrer Zeit einfach akzeptiert. Und was bei diesen großen Dingen funktioniert, lässt sich auch im Kleinen anwenden. Wenn es schwierig ist, von einer hohen in eine Tiefe Lage zu wechseln, wenn man sich den Nacken verkrampfen muss, damit die Geige bei solchen Aktionen nicht von der Schulter rutscht, dürften die damaligen Geiger es hingenommen haben, anstatt nach einer technischen Lösung dafür zu suchen. Es ist kein Zufall, dass Kinn- und Schulterstütze erst aufkamen, nachdem man in Europa im Zuge der Aufklärung gelernt hat, Probleme/Missstände nicht einfach hinzunehmen, sondern etwas zu tun, um sie zu beheben.
Die Aufnahme gefällt mir!
Hat Paganini eigentlich mit oder ohne Stütze gespielt?
Gut kann man eine ausgereifte Technik des freien Haltens bei Rachel Podger und der Bach Aufnahme sehen. Sie zieht weder die Schulter hoch, noch ist ihre Kopfhaltung starr:
In welcher Zeit die Stütze eingeführt wurde ist mir nicht bekannt.
Auf Zeichnungen ist gut zu erkennen, dass Paganini auch keine Stütze nutzte: www.classicalmusicblog.com/uploaded_images/paganini.jpg
Das meinte ich mit der Frage: Die Schulterstütze ist eine Erfindung der neueren Zeit.
M.E. gab es bereits früher einige Leute, die ohne Schulterstütze technisch auf höchstem Niveau gespielt haben. Stellvertretend nenne ich mal Leopold Mozart. Freilich gab es damals noch nicht ganz so Virtous gesetzte Stücke. Das heisst aber nicht, dass die nicht trotzdem so gespielt haben. Und wer weiß? Vielleicht würden die sogar eine Schulterstütze verwenden.
Leopold Mozart hat, wenn ich nichts überlesen habe, noch nichts von Stützen, also auch keine Kissen oder Tüchern, in seiner "Gründliche Violinschule" geschrieben. (Paganini kam kurz nach L. Mozart)
Nicht jede Erfindung der Neuzeit ist toll und manche Produkte gibt es nur, weil es möglich ist. Gebraucht werden solche Dinge nicht wirklich. Aber man hat sich halt daran gewöhnt. Ob das für die Schulterstütze gilt, kann ich nicht sagen. Es scheint aber so zu sein, dass es einfacher ist, technisch schwierige Stücke mit Schulterstütze zu spielen. Immerhin kann bei Lagenwechsel auf die Stützfunktion der linken Hand verzichtet werden. Ohne Schulterstütze muss Daumen und Ballen des Zeigefingers stützen. Das macht die Sache nicht einfacher. Warum also ohne Stütze spielen?
Ich möchte auch nicht auf meine "Krücke" verzichten
Ich denke, man darf nicht vergessen, dass die heute gängige Form der Geige sich erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts etabliert hat. Einer der Unterschiede zu älteren Geigen ist die Form des Halses. Heute ist der Hals gerade, bei barocken Geigen war er eher keilförmig. Ich habe zwar noch nie so eine Geige gespielt, aber ich könnte mir vorstellen, dass diese Keilform den Wechsel von einer hohen in eine tiefere Lage ähnlich vereinfacht, wie es moderne Schulterstützen tun.
Ich selbst habe eigentlich immer mit irgendeiner Sützkonstruktion gespielt. Aber das war nicht immer eine Schulterstütze. Als ich meine 4/4 Geige ganz neu hatte, war die Schulterstütze selbst bei der niedrigsten Einstellung zu hoch, deswegen habe ich etwas mehr als ein Jahr ein Tuch einige Male gefaltet und auf die Schulter gelegt, bevor ich die Geige angesetzt habe. Ich konnte so gut spielen und die Konstruktion passt sich auch besser an als jede Schulterstütze. Aber dann kam ein Wachstumsschub und ich hätte mehrere Tücher nehmen müssen, so dass ich inzwischen wieder mit einer Plastikstütze spiele. ;-) Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Geigenspieler auch während des Barocks auf solche Konstruktionen zurück gegriffen haben. Auch wenn das nirgends schriftlich erwähnt wird. Schließlich bedeutet der Mangel einer schriftlichen Erwähnung nicht, dass etwas nicht stattfindet. Er bedeutet nur, dass niemand die Sache so wichtig genommen hat, dass er sie aufgeschrieben hat. Jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher, dass die Menschen schon in der Antike Stuhlgang hatten, obwohl mir auf die Schnelle keine antike Quelle einfällt, die derartige Vorgänge beschreibt oder auch nur erwähnt...
Meine Tochter hat beides gespielt.
Zuerst bei Ihrer Geigenlehrerin mit Stütze von Anfang an, ohne darüber nachzudenken, was besser ist, die Lehrerin hat halt auch mit gespielt. Meine Tochter kam gut damit zurecht.
Dann sollte sie den Lehrer wechseln und der Neue war Verfechter des Spielens ohne Stütze. Er trainierte es meiner Tochter in einigen Wochen ab, neuer Kinnhalter, richtige Haltung, die ständig korrigiert wurde. Wenn man ohne Stütze spielt, muss man eben einen Lehrer haben, der weiß, worauf er zu achten hat, also den richtigen Sitz der Geige. Leider verstarb der Lehrer und die alte Geigenlehrerin ließ meine Tochter ohne Stütze weiterspielen, ohne zu wissen, worauf zu achten ist.
Bei einem Meisterkurs beanstandete der Prof dann das Spiel ohne Stütze, da die Haltung sehr schlecht sei und der Rücken verdreht. Er bat uns und unsere Tochter inständig auf Stütze umzusteigen.
Das hat meine Tochter dann getan, es fiel ihr sehr leicht und sie fühlte sich viel wohler.
SEitdem spielt sie nur noch mit Stütze. Ihr jetziger Lehrer auch.
Der Geigenlehrer, der das Spielen ohne Stütze so förderte hatte einen sehr kurzen Hals. Er meinte aber, das habe nichts damit zu tun. Viele seiner älteren Schüler sind irgendwann wieder auf Stützen umgestiegen. Selbst seine berühmteste Schülerin, Tabea Zimmermann spielt mit, das konnten wir persönlich sehen.
Bei JuMu wurde das Spielen ohne Stütze übrigens kritisiert.
vielen Dank für den Bericht. Er zeigt, wie problematisch das Erlernen ohne Stütze ist. Tendenziell verfällt man eben doch schnell in den Fehler, die Schulter anzuziehen, was dann eine ungesunde Körperhaltung zur Folge hat.
Es funktioniert zwar ohne, aber wer diesen Weg eingeht, muss viel stärker auf diese gesundheitlichen Haltungsrisiken achten.
Ich spiele aus Gewohnheit mit Schulterstütze! Langsam sollte ich auch mal ohne probieren.
Vielleicht gefällt es mir besser.
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ich freue mich auf dem 01.03.12 :) Live bei Anne-Sophie Mutter!
Wobei ich noch ergänzen muss, dass meine Tochter die "Nähe zu ihrer Geige" sehr genossen hat. Aber wenn eben dann niemand mehr richtig auf die Haltung achtet, schleichen sich leicht Haltungsfehler ein. Da habt ihr Recht.
Ich hab noch einmal ein wenig geforscht und probiert. Unter anderem fand ich heraus, dass in den Foren teilweise sehr komisch argumentiert wird. Interessant ist, dass es offensichtlich ziemlich viele Leute gibt, die weder mit noch ohne einen guten Kompromiss finden. Hier ein paar Erklärungsversuche:
Haltung ohne Schulterstütze
Um ohne Schulterstütze spielen zu können benötigt man einen Kinnhalter, der einen Wulst auf der Zargenseite hat. Ich verwende ein Guaneri-Modell. Das sind die Kinnhalter, die nach oben auskragen und über dem Saitenhalter nur noch eine Brücke haben. Die Geige wird mit der Zarge, leicht noch unten geneigt, auf das Brustbein gelegt. Den Kopf leicht nach links drehen und das Kinn absenken. Dabei "rastet" das Kinn hinter dem Wulst des Kinnhalters ein. Es ist unbedingt darauf achten, dass die Zarge wirklich auf der höchsten Stellle des Brustbeins aufliegt und das Kinn vollflächig auf dem Kinnhalter ruht. Die Betonung liegt auf "ruht". Nicht drücken! Durch den Druck entstehen die Verspannungen und Fehlhaltungen. Der Kopf ist so schwer, dass kein Druck erforderlich ist!
So hat die Geige natürlich noch keinen Halt. Es fehlt die stützende linke Hand. Zur Stütze wird die Hand, wenn der Daumen auf der linken Halsseite anliegt und der Ballen des Zeigefingers als Auflage dient. Der Auflagepunkt ist ziemlich weit oben, am ersten Gelenk und fast auf der linken Seite des Fingers. Interessanterweise ist dies die geeignete Position um in der halben und ersten Lage alle Töne zu erreichen ohne das die Hand besonders viel bewegt werden muss. Auch hier gilt. Keinen Druck mit dem Daumen ausüben. Nur anlehnen! Der Druck verringert den Freiheitsgrad der Hand. Dadurch ist mehr Kraft für die Fingerbewegung notwendig. Durch die erhöhte Kraft ist wieder mehr Druck über den Daumen erforderlich und immer so weiter.
Dadurch, dass wir nun eine gute Stütze haben, können wir den Hals leicht in die Basisstellung bringen. Also auf eine gedachte Horizontale. Das ist ungefähr Mundhöhe. Wenn kein seitlicher Druck ausgeübt wird und die Lage der Geige und des Kinnhalter stimmen, sind die Lagenwechsel ohne Probleme und Verschieben der Geige durchführbar! Ich habs gestern ein paar mal bis in die 7. Lage, danach ist es eh schnuppe, und zurück probiert. Es geht problemlos.
Diese Haltung muss man einüben. Das geht nicht beim ersten Ansatz. Eine Aufteilung, also erst Kopf/Kinn und dann Hand, hilft um die Probleme isoliert betrachten zu können. Wichtig: Teile ansehen, durch Verschieben der Geige probieren wie sich die Geige bei Bewegung verhält. Nicht anfühlt! Hier ein paar Hilfsfragen:
Wann rastet das Kinn am Wulst des Kinnhalters ein? Die Funktion des Kinnhalters ertasten und herausfinden, wie die einzelnen Teile wirken. Warum ist die Auflägefläche so groß und wie verhält sich das mit meinem Kinn? Warum ist der Wulst oben nicht so stark wie unten?
Wie stark muss ich den Kopf neigen und senken, um die Geige zu "fixieren"? Aber Achtung: Diese Haltung ist eine Haltung mit einem hohen Freiheitsgrad. Die Geige ist nicht fixiert im Sinne von fest. - Das ist ein Vorteil!
In welchem Winkeln hat das "Einrasten" den größten Effekt bezogen auf die Kopfneigung?
Wie muss ich die linke Hand halten und wie führe ich die Lagenwechsel durch? Ganz langsam üben und im Zusammenhang mit der Kopfneigung usw. weiter betrachten. Bei der Kopfneigung entsteht evtl. das Gefühl, dass der Kopf sehr stark geneigt ist. Bitte mal im Spiegel kontrollieren. Meistens ist es nur ein Gefühl und optisch einwandfrei!
Ganz wichtig: Nicht die Schulter(n) hochziehen! Der Versuch, die Geige mit der Schulter zu klemmen muss scheitern! Fast alle von uns haben fallende Schultern. Wie soll die fallende Schulter so hoch kommen, dass die Geige gestützt wird?
Zusammenfassung: Die Geige ruht auf Brustbein, linke Hand und wird durch Kinn am Verschieben gehindert. Das ist eine ziemlich natürliche Haltung und bringt einen sehr großen Freiheitsgrad. Ohne Probleme kann man die Neigung der Geige verändert. Der hohe Freiheitsgraf ist für das Spiel förderlich.
Haltung mit Schulterstütze
Bei meinen Beobachtungen habe ich viele Positionen der Schulterstütze entdeckt. Doch welche ist die geeignetste? Bevor ich versuche, meine Sicht auf die Dinge zu schildern, möchte ich einen kleinen Abstecher in einen Mythos machen: Man sagt, dass auch bei Verwendung einer Schulterstütze die Geige auf dem Brustbein aufliegen soll. Die Hoffnung, dass durch die Verwendung einer Schulterstütze, die Kopfneigung nicht so groß ist, muss ich daher nehmen. Der Abstand von Brustbein über die Zarge der Geige verändert sich durch die Schulterstütze nicht! Wie auch, die Stütze ist ja nicht unter der Zarge. Wer einen ganz langen Hals hat, sollte sich einen höheren Kinnhalter anfertigen lassen. Mit der Schulterstütze wird es nichts. Aber warum soll die Geige bei Verwendung einer Schulterstüzte überhaupt auf dem Brustbein aufliegen?
Einige von uns gehen von einem falschen Sollbild aus. Den Kopf schön gerade. Achtung: Das sieht gut aus, ist aber keinesfalls ergnomisch. Der Kopf muss in dieser Haltung gehalten werden und die Muskeln tragen die Last der Geige! Das geht auf die Nackenmuskulatur. Der leicht gesenkte Kopf fällt von alleine. Mit eine geraden Kopf kann die Endposition nicht erreicht werden.
Wo soll nun m.E. die Schulterstütze hin? Zwischen Schulter und Schlüsselbeim ist ein Kuhle. Wer die Schulterstütze auf der Geige so befestigt, dass die obere Kralle fast ganz nach links zur Zargenspitze zeigt, wird mit dem oberen Teil die Kuhle finden. Die Kralle also nicht auf dem höchsten (mittig) Punkt der Zarge befestigen. Setzt man die Schulterstüzte auf dem höchsten Punkt auf, liegt die Schulterstütze mehr auf dem Schlüsselbein. Das ist eine ziemlich wackelige Stelle und die Geige ist nicht fixiert. Einige Forenteilnehmer berichten, dass die Geige beim Spielen verrutscht. Der Grund ist m.E. die Fixierung der Schulterstützte auf dem Schlüsselbein. Die Stütze kann, verursacht durch die Muskelbewegung, nach links und rechts wandern. Nimmt man die Kuhle, kann die Stütze nicht wandern. Einfach mal die Muskelbewegungen an Schulter und Schlüsselbein mit der anderen Hand bei Armbeweung prüfen und es sollte klar werden, warum die Stütze nicht fixiert ist. Nun sind wir auch schon wieder bei der Zarge und dem Brustbein. Auch bei der Verwendung der Schulterstütze ist die notwendigen Stabilität über Kinnhalter und Brustbein herbeizuführen. Allenfalls die Stütze der Hand nimmt die Schulterstütze ab. - Wenn jetzt einer fragt, warum man überhautpt noch eine Schulterstütze braucht, liegt nicht ganz falsch.
Die Stütze dient nun (hoffentlich) als Wippe und bringt die Schnecke nach oben. Meine Kun Super hat für diese Art der Haltung übrigens fast zu kurze Schrauben. Das dürfte aber für fast alle Modell gelten.
Wie bereits in dem kurzen Absatz über die Haltung ohne Schulterstütze muss die Haltung mit Schulterstütze auch geübt werden.
Alexandermethoden und Feldenkrais
Einige vermuten, dass über die Gefühle schon die richtige Haltung gefunden wird. Dem stimme ich nur bedingt zu. Die Reiter unter uns werden das kennen: Wir üben einen neuen Schritt, z.B. Travers. Wenn wir diesen Schritt das erste mal Üben und uns auf unser Gefühl verlassen kommt in den meisten Fällen ziemlich schnell eine entsprechene Anmerkung aus Richtung Bande. Also Abteilung halt! Die Hilfengebung noch einmal durchsprechen und machen. Manchmal gelingt es dann tatsächlich beim zweiten Ansatz aber wohl fühlen wir uns nicht! Im Gegenteil. Die Hilfengebung scheint wieder unsere Natur zu sein und wir müssen uns zwingen die Bewegung und Haltung so anzunehmen. Erst mit der Übung und mit der Zeit, also wenn der Bewegungsablauf verinnerhlicht ist und die Muskeln entsprechend reagieren, lernt man, dass die ehemals falsche, sich gut anfühlende Haltung eben falsch wahr und die ehemals sich schlecht anfühlende Haltung natürlich und logisch ist. Zudem wird viel weniger Kraft benötigt.
Also, wer sich auf sein Gefühl verlässt, sollte eine Messlatte dabei haben.
Bei allen Versuchen gilt: Versucht ganz locker zu bleiben. Eine neue Haltung zu üben erfordert viel Disziplin. Aufgrund der anderen Haltung ist das mit der Lockerheit aufgrund ungeübter Muskelsteuerung schwierig. Daher immer wieder die Kontrollinstanz einschalten.
Kleiner Nachtrag zur "natürlichen Intelligenz" anhand des Beispiels aus der Reiterei:
Viele moderne Reiter versuchen durch Technik Probleme zu lösen, wenn das Pferd mal wieder nicht so läuft, wie der Reiter es erwartet. Es kommen Folterwerkzeuge zum Einsatz, Sattelauflagen, Computermessverfahren zur Bestimmung der Polsterung und was weiß ich noch alles. Bei diesen Reitern steht der Tierarzt besonders nah. Dem Pferd könnten schließlich die Füße weh tun oder das Tier hat schon sich wieder auf der Weide vertreten, usw.
Aus der Ferne betrachtet ist es eigentlich kein Wunder. In diesen Fällen habe ich grundsätzlich zwei Gedanken:
1. Das arme Tier
2. Warum lernt der Reiter nicht langsam mal Reiten
Auch wenn es total off-topic ist:
Ich frage mich, Harald, wie Du zu Sporen, Reitpeitschen und Kandaren stehst, wenn Sattelauflagen und Computervermessungen schon "Folterwerkzeuge" sind? Alles Geräte, die der Reiter benutzt, um dem Pferd sehr erhebliche Schmerzen zuzufügen, um es zu steuern. Ich bin zwar kein Pferd, aber wenn ich eines wäre, wäre es mir vermutlich um einiges lieber, Sattelauflagen und Polster zu bekommen, als mit Peitschen geprügelt und mit Sporen in die Flanke gestochen oder geschnitten zu werden. Meines Wissens war es bis weit ins 20. Jahrhundert hinein üblich, Pferde mit Gewalt, Schmerzen und Angst vor dem Menschen gewaltsam zu brechen um sie gefügig und reitbar zu machen. Soll das etwa die "natürliche Intelligenz" sein, die Du so lobst?
Gut, die moderne Heransgehensweise an Probleme treibt manchmal sehr merkwürdige Blüten, zu denen man stehen kann, wie man möchte, Aber das heißt nicht automatisch, dass früher alles besser gewesen ist.
Vielen Dank für die Rückmeldung, Aranton.
Habe ich ein Komma vergessen? Nein, hatte ich nicht. Auch ich halte die von Dir aufgezählten Dinge in den falschen Händen für Folterwerkzeuge und die habe ich gemeint. Die Sattelauflagen und Computervermessungen sind natürlich keine Folterwerkzeuge im eigentlichem Sinn. Es mach aber deutlich, was ich sagen wollte. Wir betrachten die Dinge (fast) nur noch technisch und meinen damit alles Lösen zu können. Vielfach liegt das Problem jedoch bereits in der Ausbildung und die vorhandenen Werkzeuge reichen völlig aus.
Unser Bild von den Menschen vor unsere Zeitrechnung ist offensichtlich sehr unterschiedlich. Natürlich gab es früher genauso schlechte Menschen wie heute. Meine Erkenntnisse entnehme ich der Tatsache, dass bei genauer Betrachtung der Lösungen bereits damals sehr gute Ansätze vorhanden waren, die auch heute kaum zu verbessern sind. Mit Druck und Prügel können solche Ziele/Lösungen nicht erreicht werden. Wir haben die dazu notwendige Sichtweise (fast) verloren und sind kaum noch bereit richtig über die Lösungen nachzudenken oder auch nur erst einmal zu lernen. Wir rechnen an ein paar Parametern und verlieren den Zusammenhang.
Ich sage auch nicht das früher alles besser war. Wir sollten nur den Respekt von einigen Jahrhunderten Entwicklung nicht verlieren. Und natürlich gibt es noch mehr, die so ähnlich denken wie ich und es gibt auch das andere Extrem. Es geht hier um den Trend und nicht um Einzelne.
Die Analogie hatte ich hergestellt, weil es m.E. die Situation gut erklärt und hoffentlich von vielen Nachvollzogen werden kann. Wie schon gesagt, finde ich es teilweise nicht mehr verständlich, über welche Probleme diskutiert wird. Für mich sieht es so aus, dass die Grundlagen nicht verstehend gelernt werden. Dann kommt es zu den komischen Meinungen und der Suche nach der Technik. Das Problem liegt aber zunächst einmal darin, dass vorhandene und erprobte anzunehmen, zu verstehen. Und ja, natürlich sind weitere Verbesserungen möglich.
Ich sage ja auch nicht "Spielt jetzt alle ohne Schulterstüzte". - Wer bin ich denn - Die Schulterstützte sorgt für eine stabilere Lage und kann gerade bei Anfänger sehr hilfreich sein. Oder auch nicht: "Augen zu und durch". Notwendig ist sie in den meisten Fällen nicht. Entscheiden muss das jeder selbst.
Hoffentlich konnte ich jetzt meine Sichtweise klar stellen. Mir geht es auch nicht darum, recht zu haben. Ich möchte nur meine Meinung kund tun und ob diese Sichtweise anderen hilft, weiß ich nicht. Jeder muss selbst wissen, wie er mit einer solchen Meinung umgeht.
Sorry, kleiner Nachtrag zur Haltung (ohne Schulterstütze): Gerade stehen und mit stolzer Brust! Sonst fällt die Brust und damit das Brustbein zusammen und die Stabilität ist dahin. - Ziemlich wichtig dieses kleine Detail
Hier noch ein wenig Rückendeckung: http://www.violavirtuoso.de/chinrest/history.pdf
Außer Anitas Tochter hat scheinbar noch keiner von Erfahrungen des ohne Stütze Spielens berichtet.
Schade!
Aber auch der Stützen -Spieler spielt gelegentlich zur "dramatischen" Steigerung fernab der Stütze, indem er die Geige bei besonders ausgeprägtem, ausdrucksvollen Spiel leicht mit dem Fingerballen (wie oben von Harald beschrieben) abhebt und die Stütze den Kontakt zur Schulter verliert. Das hat neben dem "Show-Effekt" sicher auch Klangänderungen zur Folge.
Genauso wie umgekehrt auch der ohne Schulterstütze Spielende sehr wohl das Kinn von der Geige abhebt, oder sogar von vornherein völlig auf Kinnkontakt verzichtet und nur durch Auflage auf Schlüsselbein und linker Hand die Geige stabilisiert. Ich weiß jetzt auch gar nicht, ob der barocke Spieler überhaupt unbedingt die Geige auf der Schulter aufliegen hat.
Und ob moderne ohne Schulterstützen-Spieler nicht schon wieder eine ebenfalls moderne Form dieser Spielart entwickelt haben - ein dicker Hinweis ist ja beim nicht Barockspieler die Kinnstütze. Wobei man dann nicht mehr unbedingt die Parallele - ohne Schulterstütze gleich barocke Spielweise- ziehen dürfte.
Hi Jucie,
ich benutze eine Schulterstütze von KUN. Die war bei meiner SV-130 (E-Geige von Yamaha) damals dabei.
Meine Tochter spielt mit einer Bonmusica, da das ihre Geigenlehrerin soll wollte.
Ein, aus meiner Sicht, schön geschriebenes Buch zum Spielen ohne Schulterstütze ist das Buch Frei und mit Freude spielen. Violine und Viola: Theoretischer Band von Marek M Moscher (ISBN: 3-927985-25-2).
Mehr kann ich zu Deiner Frage nicht beitragen, ich hoffe, dass es Dir etwas hilft.
Gruß, mlm
Also ich spiel mal mit mal ohne. Kommt bei mir ganz auf die Laune an. Technisch hab ich wenig probleme, nur halt das ich mit der Hand mithalten muss und nur den Fingervibrato anwenden kann. Es kommt mir aber alles in allem ein wenig ´´freier´´ vor wenn ich ohne Schulterstütze spiele.
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